Dem Ozean eine Chance geben – unsere Botschaft an die UN Ocean Conference
Ich blicke auf den Fluss Tejo in Lissabon, Portugal, und denke über die erstaunliche Widerstandsfähigkeit der Natur nach. Es ist das Ende von fünf motivierenden und anstrengenden Tagen auf der zweiten UN Ocean Conference (UNOC).
Vor Beginn der Konferenz fuhr ich mit meinen deutschen Kolleginnen Astrid Fuchs und Bianca König und einem örtlichen Meeresbiologen auf den Fluss hinaus, in der Hoffnung, Delfine zu sehen. Und tatsächlich fanden wir sie oder besser gesagt, sie fanden uns − eine Gruppe von Delfinen, darunter auch Babys, die erst wenige Tage alt waren.
Wir erfuhren, dass die Delfine nach Jahrzehnten der Abwesenheit wieder in den Fluss zurückgekehrt waren. Bis vor kurzem waren sie wegen des Lärms und des Verkehrs auf dem Fluss draußen im Atlantik geblieben. Aber während der Pandemie, als alles ruhiger wurde, kehrten sie zurück, denn der Fluss bietet mit seinem Fischreichtum eine wichtige Nahrungsquelle. Wie lange die Delfine bleiben werden, wenn der Schiffsverkehr wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht, wissen wir natürlich nicht.
Doch was uns diese kleine Delfingruppe zeigt, ist, dass man der Natur nur eine Chance zur Erholung geben muss.

Die Delfine sind in den Fluss zurückgekehrt, weil wir ihnen eine Chance gegeben haben.
Zeit für Veränderung
Das gilt auch für den Ozean − wir müssen ihm eine Chance geben. Wir können die Meere nicht weiterhin ausnehmen und wie einen Mülleimer behandeln. Es ist kontraproduktiver Wahnsinn, neue Industrien wie den Tiefseebergbau zu finanzieren, der die Ökosysteme zerstört und Kohlenstoff freisetzt, der in der Tiefe sicher gespeichert ist.
Besonders ermutigend war für mich deshalb zu hören, dass der französische Präsident Emmanuel Macron ein Verbot des Tiefseebergbaus forderte. Ich hoffe, dass Frankreich und Costa Rica als Gastgeber der nächsten Konferenz im Jahr 2025 rasche Fortschritte erzielen. Der Ozean darf keinen weiteren Bedrohungen ausgesetzt werden. Und die Wale und Delfine brauchen nicht noch mehr Lärm, menschliche Aktivität und chemische Verschmutzung in ihrem Lebensraum.

Das WDC-Team (von links nach rechts): Bianca König, ich, Vanesa Tossenberger und Astrid Fuchs
Verbindungen knüpfen
Unser engagiertes Lissabon-Team wurde am ersten Tag der Konferenz durch unsere Policy-Direktorin Vanesa Tossenberger (WDC Argentinien) und unsere Campaignerin Katrin Matthes (WDC Deutschland) ergänzt. Gemeinsam haben wir zwei erfolgreiche Veranstaltungen geplant und durchgeführt, die als Begleitprogramm zur UNOC dienten. Jeder schaut auf die Erklärungen und Verpflichtungen, die von den Ländern auf diesen Konferenzen abgegeben werden − aber ich finde, dass der wirkliche Fortschritt bei den Nebenveranstaltungen stattfindet. Dort können wir neue, wichtige Verbindungen herstellen, bestehende Beziehungen bekräftigen und neue Pläne mit engagierten Menschen entwickeln. Unsere erste Veranstaltung war ein interaktives Quiz rund um Wale und Delfine und ihre Rolle im Ökosystem Meer. Eine der Teilnehmer:innen war Dr. Asha De Vos, bekannt durch ihren TED Talk über die Bedeutung von Walkot – natürlich hatten andere Teilnehmer keine Chance gegen sie zu gewinnen!

Ich stehe auf der linken Seite, in der Mitte steht Dr. Asha de Vos und auf der rechten Seite meine WDC-Kollegin Astrid Fuchs.
Unsere zweite Veranstaltung war unser offizielles Side Event der UNOC mit einer ganzen Reihe von interessanten und wichtigen Sprecher:innen auf dem Gebiet des Meeresschutzes und der Meerespolitik. Der Saal war rappelvoll, es wurden viele Gespräche geführt und neue Kontakte geknüpft. Gleichzeitig waren Katrin und Bianca Teil des Demonstrationszugs, dem sogenannten "Blue Climate March". Rund 500 Teilnehmer:innen marschierten mit Bannern, Gesichtsbemalungen und eingängigen Chören zur Altice Arena, um den Staats- und Regierungschefs der Welt eine dringende Botschaft zum Meeresschutz zu überbringen.
Großartige Unterstützung
Im Laufe der Konferenz wurden wir immer wieder mit Worten angesprochen, wie: "Ihr seid doch die Wal- und Delfinschützer, oder? Ihr seid toll, macht weiter so!". Eine unglaublich motivierende Erfahrung, die ohne Sie und Ihre Unterstützung, Wale als Klimaschützer bekannt zu machen, nicht möglich gewesen wäre!
Was wir tun müssen
Am Ende der Woche wurde nach Beratungen zwischen den weltweiten Regierungsdelegationen die endgültige politische Erklärung veröffentlicht. Wir bei WDC sind sehr stolz darauf, dass wir den Text der Erklärung mitgestalten und kommentieren konnten. Unter dem Titel "Our Ocean, Our Future, Our Responsibility" heißt es darin, dass wir ohne einen gesunden Ozean keinen gesunden Planeten haben können − und es werden von den Ländern sofortige Maßnahmen zu seiner Wiederherstellung gefordert.
Die Erklärung räumt des Weiteren ein, dass der Wissensstand und das Verständnis über die Rolle des Ozeans rasch durch Forschungsprojekte erweitert werden muss. WDC arbeitet mit seinem Forschungsprogramm bereits daran.
Die Erklärung fordert eine enorme Aufstockung der finanziellen Mittel für ozeanbasierte Lösungen für den Klimawandel, so wie wir es auf der COP26 in Glasgow, mit unserem Bericht "A Drop in the Ocean" getan haben. Und sie plädiert für die Beseitigung von Meeresmüll und die Säuberung der Ozeane, wie wir es gemeinsam mit unseren Partnern von BRITA in "Message in a bottle", unserem Bericht über die Auswirkungen von Plastik auf Wale und Delfine, getan haben.
Wir müssen auch die Versauerung der Meere bekämpfen, die Auswirkungen des Schiffsverkehrs verringern, die Fischpopulationen wiederherstellen und große Teile der Meere schützen. Wir wissen, dass einige Länder, insbesondere kleine Insel- und Küstenstaaten, dieser Aufgabe gewachsen sind und bereits seit Jahrzehnten handeln. So haben beispielsweise die Seychellen 30 Prozent ihrer Gewässer geschützt, was flächenmäßig der Größe Deutschlands entspricht. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit diesen Ländern, die bereits jetzt stärker als alle anderen unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden.

Wir müssen den Walen eine Chance geben.
Blick in die Zukunft
Eine der eindringlichsten Aussagen, die ich in dieser Woche gehört habe, stammt von dem UN-Sonderbeauftragten für die Ozeane, Peter Thomson. Er erzählte von einem Traum, in dem er sich an einem Strand befand, als eine Tsunami-Warnung ertönte. Alle flüchteten in höher gelegene Gebiete − alle bis auf die Kinder und Enkelkinder, die zurückblieben. Sein Albtraum bringt es auf den Punkt. Die Generation, die den Wandel beeinflussen kann, wird nicht annähernd in dem Maße unter den Folgen der Untätigkeit leiden, wie es die nächsten Generationen tun werden.
Die Palette der erforderlichen drastischen Maßnahmen ist überwältigend und kann dazu führen, dass sich die Menschen davor verschließen. Aber das positive Mindset, das innovative Denken und die Leidenschaft der 6.500 Menschen, die nach Lissabon gekommen sind, haben mir Hoffnung gegeben. Wir kennen die Probleme und wir kennen die Lösungen. Wir wissen, dass die Natur zurückkehren wird, so wie die Delfine in den Fluss Tejo zurückgekehrt sind.
Die Zeit der Diskussionen ist vorbei, die Zeit des Handelns ist da, und wir werden nicht aufhören, bis wir eine Welt haben, in der alle Wale und Delfine sicher und frei sind. Schließlich gibt es keinen Planeten B.
[shariff]
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Wir setzen uns weltweit in verschiedenen Projekten für Wale und Delfine ein.