Die brutale Jagd in Taiji: Einer Delfinforscherin bricht das Herz

Trotz der Pandemie begann im September die grausame alljährliche Delfinjagd in Japan, die noch bis April 2021 andauern wird. In diesen sechs Monaten werden etwa 25 Walfänger*innen aus der Stadt Taiji jeden Tag, an dem es das Wetter zulässt, Delfine jagen. Die gefangenen Delfine werden entweder für ihr Fleisch geschlachtet oder an Delfinarien verkauft. Mit der Genehmigung der Regierung, etwa 1.750 Individuen von neun verschiedenen Arten zu töten, färben sich die Gewässer jedes Jahr rot von dem Blut, das dabei vergossen wird.
Zweifellos ist das Leben jedes einzelnen Delfins von Bedeutung, aber mir persönlich (als jemand, der die Rundkopfdelfine studiert) bricht jedes Mal das Herz, wenn ich von Jagden höre, die entweder zum Fang oder zum Tod von Individuen dieser bemerkenswerten Spezies geführt haben.
Rundkopfdelfine sind sehr sozial, gehen langfristige Bindungen untereinander ein und können bis zu 50 Jahre alt werden. Ich kann mir nicht einmal ansatzweise die Schmerzen vorstellen, die diese Tiere zu ertragen haben. Entweder werden sie Zeuge, wie enge Freunde und/oder Familienangehörige aus der Gruppe gerissen werden oder sie hören die qualvollen Schreie ihrer Artgenossen: Die gefangenen Tiere werden entweder in die Delfinarien-Industrie verkauft oder brutal geschlachtet. Einem solchen Trauma ausgesetzt zu sein, ist unvorstellbar. Es gibt kein Mitgefühl, keine Rücksicht auf ihr Wohlergehen oder die seelischen Qualen, die sie ertragen müssen.

Walfänger*innen treiben Rundkopfdelfine in Taiji zusammen (C) ngo-lia.org
In den letzten Jahren betrug die Tötungsquote für Rundkopfdelfine in Taiji 251 Exemplare. Um die Auswirkungen eines solchen Massensterbens für eine Delfinpopulation besser zu verstehen, setzte ich diese Zahl einmal in Proportion …
Seit 2010 untersuche ich im Rahmen eines WDC-Projekts eine Population von Rundkopfdelfinen, die vor der Küste der Isle of Lewis vor Schottland lebt. Die Gewässer rund um die Isle of Lewis sind für ihr Wohlbefinden von entscheidender Bedeutung, da sie den Delfinen reichlich Nahrung und Unterschlupf bieten, um ihre Jungen aufzuziehen. Mit einer Lizenz der schottischen Regierung, fahren wir regelmäßig mit Booten raus und fotografieren die Delfine. Dies ermöglicht uns, durch Foto-Identifikation, einen Katalog bekannter Individuen zu erstellen. Denn einzelne Delfine können wir anhand ihrer Rückenflossen und der Kratzer und Markierungen an ihrem Körper identifizieren, und mit Hilfe der Foto-ID-Katalogisierung können wir uns ein Bild vom Leben dieser Individuen im Laufe der Zeit machen. Manche Delfine werden Jahr für Jahr gesichtet, manchmal mit denselben Freunden, manchmal mit neu gewonnenen Bekannten und manchmal mit neugeborenem Nachwuchs.

Eine Rundkopfdelfin-Mutter mit ihrem Nachwuchs (C) Nicola Hodgins
Bis heute umfasst unser Katalog etwa 150 Rundkopfdelfine, nur 100 weniger als die Tötungsquote für ein einziges Jahr bei der Taiji-Jagd. Obwohl die Walfänger*innen in den letzten Jahren nie ihre Quote für Rundkopfdelfine erfüllt haben, haben sie im Durchschnitt 138 Rundkopfdelfine pro Jahr getötet. Damit also fast so viele, wie in unserem Katalog, der innerhalb von ganzen 11 Jahren erstellt wurde.
Stellen Sie sich vor, dass wir unseren Forschungsstandort von der Isle of Lewis nach Taiji verlagern würden. Unsere gesamte Studienpopulation könnte theoretisch in einem Jahr ausgerottet werden. Dies verdeutlicht das Ausmaß dieser Jagden und die Auswirkungen, die das Töten auf geografisch unterschiedliche Populationen haben könnte.

Nhaufnahme eines Rundkopfdelfins vor Schottland (C) Niccola Hodgins
Bisher war das Jahr 2020 für viele Menschen auf der ganzen Welt ein sehr schwieriges Jahr, doch auch für die Rundkopfdelfine in und um Taiji. Denn die Hauptopfer der Delfinjagden in diesem Jahr waren die Rundkopfdelfine, von denen bereits 47 für ihr Fleisch geschlachtet wurden und ein Individuum in Gefangenschaft genommen wurde (leider bedeutet die Gefangenschaft für viele Tiere sogar noch ein schlimmeres Schicksal als der Tod). Dabei ist die Saison erst zu einem Drittel vorbei.
In den nächsten Monaten werden wahrscheinlich noch zahlreiche weitere Rundkopfdelfine in den Gewässern um Taiji diesem verheerenden, grausamen Schicksal ausgesetzt sein, und ich werde mit Tränen in den Augen und Schmerzen im Herzen dabei zusehen müssen.
Für mich ist der einzige Trost dabei, dass ich weiterhin mehr über die Rundkopfdelfine um Isle of Lewis in Erfahrung bringen kann und Tausende von Fotos, die ich im vergangenen Sommer gemacht habe, analysieren werde. Diese Recherchen und die Katalogisierung von Foto-IDs helfen uns herauszufinden, was die Population braucht, um sie zu schützen und ihr Gedeihen zu gewährleisten. Je mehr wir über sie wissen, desto effektiver können wir uns für ihren Schutz und ihre Erhaltung einsetzen. Ich werde ewig dankbar sein, dass zumindest für diese Delfine die Jagd keine Bedrohung darstellt. Doch leider müssen sich ihre japanischen Verwandten der Bedrohung jedes Jahr aufs Neue stellen.
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