Die Macht des Schweinswal-Kots
Wir finden immer mehr Belege dafür, wie wichtig Wale für ein gesundes marines Ökosystem sind. Sie sind unsere größten Verbündeten bei der Bekämpfung der Klima- und Biodiversitätskrise.
Zum Atmen, Ausscheiden von Kot, Urin und zum Jagen schwimmen Wale an die Meeresoberfläche. Durch ihre Schwimmbewegungen verteilen sie Nährstoffe, die für das Gedeihen des marinen Ökosystems entscheidend sind, im Meer ("Walpumpe"). Wale ermöglichen so das Wachstum von Phytoplankton, das Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre absorbiert und Sauerstoff produziert.
Über die Rolle, die die kleineren Vertreter der Meeressäuger − Delfine und Schweinswale − bei dieser "Walpumpe" spielen, wissen wir jedoch viel weniger. Es wird vermutet, dass sie trotz ihrer geringeren Körpergröße − aber dank ihrer großen Anzahl − eine ähnlich wichtige Rolle in den Küstenökosystemen spielen, wie die großen Wale. Um dies zu untersuchen, finanzieren wir Forschungsarbeiten in den Niederlanden zum Nährstoffgehalt von Schweinswal-Kot und seinem Einfluss auf das Wachstum von Phytoplankton.

Selina van Burken und Frank Zanderink © Rugvin Foundation
Frank Zanderink ist der Direktor der "Rugvin Foundation" in den Niederlanden und leitet die Forschung zum Schweinswal-Kot. Selina van Burken ist Studentin an der Aeres University of Applied Science und absolviert ein Praktikum im Rahmen des Projekts bei der Rugvin Foundation. In diesem Gastblog stellt Frank (mit Beiträgen von Selina) die Forschungsarbeiten näher vor.
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Es muss drei oder vier Jahre her sein, dass ich das Buch "Wal" von Joe Roman gelesen habe. Nach diesem Buch begann ich, Artikel über Walkot, die Walpumpe und marine Ökosystemdienstleistungen von Großwalen zu lesen. In Gesprächen mit anderen Wissenschaftler:innen und Naturschutzorganisationen stellte ich zusammen mit meinen Kolleg:innen von Rugvin fest, dass dieses Thema in den Niederlanden und ganz Europa völlig neu war. Diese Erkenntnis inspirierte mich und meine Kolleg:innen dazu, das "Walkot-Botschafter"-Programm ins Leben zu rufen − eine Initiative, die das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung von Walkot schärfen soll und als Instrument für die Lobbyarbeit mit der niederländischen Regierung dient.
Wir entwickelten das "Walkot-Spiel", ein pädagogisches Brettspiel, mit dem die Menschen auf interaktive Weise etwas über den Ozean und die Rolle der Wale lernen können. Das führte schließlich zur Entwicklung der interaktiven Website "Whale Poo Seamulation".
Dann begannen wir, Vorträge an Schulen und in Zoos zu halten und die Aufmerksamkeit der Medien zu bekommen. Wir wurden ins nationale Fernsehen und Radio eingeladen und sprachen mit Journalist:innen. Das Thema inspirierte unsere Vorsitzende bei der Rugvin Foundation, Nicolle van Groningen, sogar dazu, ein Kinderbuch mit dem Titel "Whallie the Poo" zu schreiben.
Als Selina ihr Praktikum bei uns angefangen hat, hatten wir uns gerade mit WDC, Joe Roman und Heidi Pearson in Verbindung gesetzt. Von diesem Moment an ging alles sehr schnell. Von WDC erfuhren wir, dass vor allem die Rolle von Delfinen und Schweinswalen in der Meeresumwelt mehr Aufmerksamkeit verdient. So entschieden wir uns für den Schweinswal und begannen gemeinsam mit der Ausarbeitung einer Studie über die Auswirkungen von Schweinswalen auf das Wachstum von Phytoplankton (ein Oberbegriff für alles Plankton im Meer, das wie Pflanzen an Land Photosynthese betreibt).

Der Schweinswal-Kot für die Studie wurde aus dem Darm verstorbener Schweinswale entnommen. © Rugvin Foundation
Zunächst war es wichtig, ein geeignetes Labor zu finden. Wir setzten uns mit Marco Dubbeldam von der "Sea Shell Foundation" in Verbindung und bekamen grünes Licht − ich war so aufgeregt, dass es endlich losgehen konnte! Zunächst hatte ich keine Ahnung, wo ich anfangen sollte. Was brauchen wir? Niemand hatte sich zuvor mit Schweinswal-Exkrementen und deren Auswirkungen auf das Wachstum von Phytoplankton beschäftigt – eine große Herausforderung. Glücklicherweise konnten wir von vielen Expert:innen Ratschläge einholen und vor allem sicherte WDC uns die Finanzierung zu.

Selina beim Zählen von Algenzellen aus Proben, die mit Schweinswal-Kot versetzt wurden. © Rugvin Foundation
Selina zählte fünf Wochen lang jeden zweiten Tag die Zellen von Algen, eine bestimmte Art von Phytoplankton. Da das Labor nicht in ihrer Nähe war, übernachtete sie während dieser Zeit in einem Zelt. Jeden Montagmorgen packte Selina ihre Tasche, schnappte ihr Fahrrad und war nach drei Stunden Zugfahrt vor Ort, um ihre Zählung zu beginnen.
Jedes Mal, wenn sie nach dem Wochenende ins Labor kam, waren wir gespannt, wie die Algen aussehen würden. Wir hatten verschiedene Tests angesetzt, in denen die Algen mit unterschiedlichen Schweinswal-Kot-Konzentrationen versetzt wurden. Und zum Vergleich gab es auch eine Probe mit einer klaren Flüssigkeit ohne Schweinswal-Kot. Die Flüssigkeiten in den Proben mit Kot wurden zunehmend grüner oder brauner, was darauf hindeutete, dass die Algen gut wuchsen. Diese Beobachtung war toll – denn das wollen wir schließlich beweisen! Im letzten Teil der Studie werden wir uns damit beschäftigen, die Daten zu verarbeiten und den Bericht zu verfassen. Auch das ist sehr spannend!
Wir hoffen, nachweisen zu können, dass die Nährstoffe im Schweinswal-Kot das Wachstum des Phytoplanktons anregen. Unsere ersten Ergebnisse bestätigten diese These bereits: Denn spannenderweise konnten wir beobachten, dass die Wachstumsrate des Phytoplanktons umso höher ist, je höher die Konzentration des Schweinswal-Kots in der Probe ist.
Unsere ersten Ergebnisse zeigen also, wie wichtig Schweinswale für einen gesunden Ozean sind. Wir hoffen, unsere Erkenntnisse in unser Bildungsprogramm einfließen lassen und den Bericht in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlichen zu können. So wären diese Informationen für andere Expert:innen und die Öffentlichkeit zugänglich und können von Organisationen wie WDC genutzt werden, um auf die wichtige Rolle von Delfinen und Kleinwalen aufmerksam zu machen und sich für deren Schutz einzusetzen.
[shariff]
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Wir setzen uns weltweit in verschiedenen Projekten für Wale und Delfine ein.
Grundsätzlich eine gute Idee, das Bewusstsein für die Bedeutung von Walen zu stärken. Diese Studie allein sagt aber wenig über die tatsächliche Bedeutung der Zahnwale für unser Weltklima aus, weil völlig unklar ist, welche absoluten Mengen an Fäkalien sich in welchen Wassermengen verdünnen und welchen Beitrag der Walkot z.B. im Vergleich zu Fischkot oder Kot anderer Meeresbewohner (Krill, Quallen, Muscheln, Korallen, Zooplankton etc. etc.) ausmacht. Ich hoffe es kommt niemand auf die Idee das Wachstum von Phytoplankton durch Umleitung von menschlichen Fäkalien zu fördern.
Welche Auswirkung ein Überhandnehmen von Phytoplankton auf das Leben im Ozean hat (s. Algenblüte!) übersteigt auch unsere Fähigkeit zur Voraussicht komplexer Zusammenhänge bei weitem!
Trotzdem liebe Grüße, man kann nicht genug Lobbyarbeit für nicht-menschliches-Leben auf diesem Planeten machen.