Delfinarium Nürnberg – Schutz für bedrohte Arten?
Was wäre, wenn der Tiergarten Nürnberg zum Artenschutzzentrum wird und statt der Großen Tümmler bedrohte Jangtse-, Hector-Delfine oder Vaquitas im Delfinarium schwimmen würden? Was wäre, wenn der Tiergarten diese bedrohten Delfine züchten und in freier Wildbahn aussetzen würde?
Diese Ziele hat sich der Tiergarten Nürnberg auf die Fahne geschrieben. Zoo-Direktor Dr. Encke präsentierte im Frühjahr 2018 dem Kulturausschuss der Stadt Nürnberg sein neues Konzept. Gleichzeitig hat er darum gebeten, die Eintrittspriese ab diesem Jahr zu erhöhen.
Aber was steckt hinter diesen Absichten? Um das zu verstehen, muss man einen kleinen Blick auf die Gesetze für Zoos werfen. 1999 hat die EU eine Zoo-Richtlinie erlassen, die wie der Name schon sagt, Aufgaben und Pflichten der Zoos beschreibt. Leider hat Deutschlands Bundesregierung erst 2006 diese Richtlinie in das Bundesnaturschutzgesetz integriert. Laut der Zoo-Richtlinie sind die Hauptaufgaben eines Zoos vor allem Arterhaltung, Bildung und Forschung.
Wenn man sich die gerade vorgestellten Ziele des Tiergarten Nürnbergs genauer ansieht, wird sehr schnell deutlich, dass der Tiergarten hier das Rad nicht neu erfunden hat. Vielmehr möchte der Tiergarten nach über zwölf Jahren bestehendem Gesetz anfangen, seinen Aufgaben gerecht zu werden.
Fangen wir bei den guten Aspekten an. Der Tiergarten möchte weniger Arten halten und sich hier auf die Bedrohten fokussieren. Allgemein gesprochen ist dies zunächst eine gute Idee, denn es bedeutet mehr Platz für weniger Individuen. In Wirklichkeit ist die Gefangenschaftshaltung alleine allerdings noch lange kein Beitrag zur Arterhaltung. Der Tiergarten hält im Moment über 300 verschiedene Arten. In seinem Konzept brüstet er sich damit, dass er an 34 Zuchtprogrammen beteiligt ist. Auch die Großen Tümmler sind Teil des Europäischen Zuchtprogramms. Tatsächlich hat noch kein europäisches Delfinarium einen Großen Tümmler ausgewildert und damit einen Beitrag zur Arterhaltung geleistet.
In der Vergangenheit gab es viele Versuche, bedrohte Delfinarten zu fangen und in menschliche Obhut zu bringen – leider ohne Erfolg. Bei den letzten Versuchen wollte man den stark bedrohten Vaquita in abgetrennte Meeresbecken bringen und ihn durch Zucht vor dem Aussterben retten. Bei den Fangversuchen ist jedoch ein fortpflanzungsfähiges Weibchen gestorben und die Zukunft eines Babys ist ungewiss, nachdem man es nicht an die Gefangenschaft gewöhnen konnte und wieder freilassen musste. Danach wurde das Projekt gestoppt. Jetzt kann man nur noch alles versuchen um das Habitat für den kleinsten Schweinswal der Welt sicherer zu machen.
Was der Tiergarten vor hat, ist schlicht und ergreifend kein Beitrag zur Arterhaltung, sondern kann direkt dazu beitragen, bedrohte Delfinarten völlig auszurotten. Wie man beim Vaquita sieht, sind Wale und Delfine derart sensible Lebewesen, dass sich die Fangaktion lebensbedrohlich auswirken kann. Auch ein Transport um den halben Globus bedeutet unglaublich großen Stress und wäre ein Risiko für ihr Überleben.
Selbst wenn wir davon ausgehen, dass ein Transport einwandfrei klappt, ist die Zucht weiterhin ein reines Glücksspiel, wie der letzte Todesfall eines Delfinbabys im Zoo Duisburg zeigte. Obwohl Delfine bereits seit den 70er Jahren in Deutschland in Gefangenschaft gehalten werden, können die Zoos immer noch keine erfolgreiche Zucht garantieren. Wir werden uns wohl nie vorstellen können, was es für einen Delfin bedeutet, immer und immer wieder die eigenen Jungtiere sterben zu sehen.
Im Naturschutz gilt das Vorsorgeprinzip: wenn man zu wenig weiß und mit einer Handlung mehr Schaden als Gutes anrichten könnte, sollte man sich lieber nicht einmischen. So sehe ich das auch im Fall Nürnberg: auf den ersten Blick eine gute gemeinte Absicht, die jedoch in der Umsetzung fatal sein könnte.
Ein weiteres Grundprinzip besagt, dass man effizienter schützen kann, wenn man die Bedrohungen im Lebensraum verringert. Das Problem an der Wurzel bekämpfen. Im Klartext heißt das, wenn sich der Tiergarten Nürnberg dafür einsetzen möchte, bedrohte Delfinarten zu schützen, dann muss er sich dafür stark machen, dass zum Beispiel die Fischerei im Lebensraum der Delfine nicht mehr zu Beifang führt. Ein Leben in Gefangenschaft ist und bleibt unnatürlich für Delfine.
Der Vaquita steht kurz vor dem Aussterben, weil er bei der intensiven Stellnetzfischerei in den Gewässern Mexikos als Beifang in den Netzen der Fischer stirbt – ein neues Zuhause in Betonbecken kann also nicht die Lösung sein. Wir müssen so viele Menschen wie möglich über dieses Problem aufklären. Der eigentliche Rettungseinsatz findet in Mexiko statt, nicht in Mittelfranken.
WDC setzt sich weltweit dafür ein, dass alle Wale und Delfine in Freiheit und Sicherheit leben können. Um das zu erreichen, braucht es kein Delfinarium, sondern Schutz in den Heimatgewässern.