Ein Sommer voller Hoffen und Bangen für Finnwale

Luke McMillan
WDC-Kampagnenleiter
Nachdem die diesjährige Walfang-Saison in Island vorbei ist, ziehen wir Bilanz zu den turbulenten Ereignissen, die sich für die Wale in isländischen Gewässern abspielten. WDC stand bei den Bemühungen, den Walfang in Island zu beenden, an vorderster Front und diese Saison war eine Achterbahnfahrt der Gefühle, mit Momenten der Hoffnung aber auch Trauer über den Verlust von 25 Finnwalen.
Alles begann im Mai, als die isländische Regierung einen Bericht veröffentlichte, der die unmenschlichen Methoden der isländischen Waljagd aufdeckte. Unsere Partner von Hard To Port lieferten die erschütterten Bilder, die zu diesem Bericht führten. Er enthüllte, dass es bis zu zwei Stunden dauern kann, bis ein harpunierter Wal stirbt.
Die in diesem Bericht gesammelten Beweise stellten einen Wendepunkt dar und warfen ein Schlaglicht auf die offensichtliche Missachtung des isländischen Tierschutzgesetzes.

Gemeinsam gegen den Walfang
Als Reaktion auf die schockierenden Enthüllungen trafen wir uns mit unseren Partnern und der Anti-Walfang-Gemeinschaft in Islands Hauptstadt Reykjavik. Gemeinsam gingen wir auf die Straße, um unsere Einigkeit und Entschlossenheit zu demonstrieren und die isländische Regierung aufzufordern, den Walfang endlich zu beenden. Bei der Demonstration wurden Walknochen in der Innenstadt symbolisch beigesetzt und mit 148 Rosen geschmückt. Jede Rose symbolisierte einen Finnwal, der 2022 bei der Jagd sein Leben verloren hat.


Die Mehrheit der Isländer spricht sich inzwischen gegen den Walfang aus - ein großer Erfolg.
Diese Veranstaltung voller Kunst, Tanz, Poesie und Musik vermittelte wirkungsvoll die Anti-Walfang-Stimmung, die dieses Jahr zum ersten Mal überhaupt von der Mehrheit der isländischen Bevölkerung geteilt wird. Es war auch eine Gelegenheit, der renommierten Sängerin und Songwriterin Björk persönlich für ihre Unterstützung zu danken und ihr unsere Wertschätzung dafür auszusprechen, dass sie sich für unser Anliegen einsetzt.
Ein historischer Moment
Der Bericht brachte die isländische Regierung in eine schwierige Situation. Trotzdem schrieb die isländische Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Fischerei, Svandís Svavarsdóttir, im Juni Geschichte: Mit der Begründung, dass sie Island Tierschutzrecht verletzen, setzte sie die geplanten Waljagden aus.

Diese Suspendierung war ein monumentaler Moment. Nach jahrzehntelangem Kampf und viel harter Arbeit hinter den Kulissen sah es so aus, als wäre das Ende des Walfangs in Island endlich gekommen. Wir können stolz berichten, dass unsere Unterstützer:innen eine entscheidende Rolle gespielt haben, indem sie dem Anwaltsteam, das sich für diese Aussetzung eingesetzt hat, erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt haben. Ich hatte das Privileg, Katrín Oddsdóttir zu treffen - die Anwältin, die den Walfang in Island gerichtlich anfechtet. Katrín drückte ihre aufrichtige Dankbarkeit dafür aus, dass WDC ihre Bemühungen unterstützt. Gemeinsam haben wir so das Leben von rund 120 Finnwalen gerettet.

Obwohl die Aussetzung in Kraft war, ließ unser Engagement nicht nach. Wir setzten unsere Interessenvertretung vor Ort fort, beobachteten die Situation genau und sprachen auf einem Treffen mit Minister:innen, Gewerkschaften und Walfänger:innen über die Aussetzung. Dies gab uns die Möglichkeit, die menschlichen Auswirkungen unserer Kampagne zu verstehen und sinnvolle Gespräche mit Walfänger:innen zu führen, um unsere Haltung zu erklären.
Trotz unserer Bemühungen stieß die Aussetzung auf Kritik von Kristján Loftsson, dem Geschäftsführer des Walfangunternehmens Hvalur hf. Loftsson machte kontroverse Behauptungen über die Auswirkungen des Walfangs auf Islands Klimaziele und argumentierte, dass Wale bei der Atmung erhebliche Mengen Kohlendioxid freisetzen. Wir wissen jedoch, dass diese Behauptungen weit von der Wahrheit entfernt sind. Deshalb haben wir diesen Behauptungen öffentlich widersprochen und die entscheidende Rolle betont, die Wale bei der Kohlenstoffbindung und im Meeresökosystem spielen.
Herzzerreißende Neuigkeiten
Gerade als wir dachten, dass dies das Ende des Walfangs in Island bedeuten könnte, sank unser Herz: Am 31. August wurde die vorübergehende Aussetzung aufgehoben und der Walfang in Island wieder aufgenommen. Die Harpunenschiffe durften den Hafen aufgrund neuer, strengerer Vorschriften und verstärkter Überwachung verlassen. WDC machte in einer Stellungnahme deutlich, dass diese Vorschriften keine Garantie für die Einhaltung von Tierschutzstandards darstellen – es war eine äußerst enttäuschende Entscheidung und ein gewaltiger Rückschritt.

Die Wiederaufnahme des Walfangs war für eines der Harpunenschiffe nur von kurzer Dauer. Nur eine Woche, nachdem die Schiffe ins Meer zurückgekehrt waren und elf Finnwalen das Leben gekostet hatten, wurde einem Schiff, Hvalur 8, erneut die Lizenz entzogen. Beobachter:innen an Bord wurden Zeug:innen einer grausamen Szene: Ein Finnwal musste mehr als 30 qualvolle Minuten aushalten, nachdem er von einer Harpune getroffen worden war. Erst dann feuerte die Besatzung eine zweite Harpune ab und beendete das Leben des Wals. Genau solche Situationen waren eines der Hauptprobleme, die zu der ursprünglichen Aussetzung der Jagden durch die Regierung Anfang des Sommers geführt hatten. Es wurde deutlich, dass sich überhaupt nichts geändert hatte.

Diese enorme Grausamkeit ist ein unbestreitbarer Beweis dafür, dass solch eine brutale Praxis nicht auf humane Weise durchgeführt werden kann. Und die Brutalität nahm kein Ende: Am 22. September kehrten die Walfänger:innen mit einem weiteren Opfer in den Hafen zurück, und dieses Mal war sie nicht allein. Unsere Partner bei Hard To Port dokumentierten, dass die Walfänger:innen nicht nur einem erwachsenen Walweibchen das Leben genommen hatten, sondern auch ihrem schon fast 4 Meter langen ungeborenen Kalb – ein wirklich tragisches Schicksal für diesen kleinen Wal, noch bevor sein Leben überhaupt beginnen konnte.
Unsichere Zeiten
Nachdem die Schiffe nun wieder im Hafen liegen und die Harpunen abgeschraubt sind, ist die Jagdsaison zu Ende. Sie hinterlässt bei uns gemischte Gefühle.

Obwohl die Suspendierung eine monumentale Leistung war, sind wir zutiefst traurig darüber, dass in dieser Saison 25 empfindungsfähige, intelligente und hochsoziale Lebewesen den Harpunen zum Opfer gefallen sind. Die Zukunft des Walfangs in Island steht auf dem Spiel, da die Lizenz von Hvalur hf, dem einzigen Unternehmen, das in Island Walfang betreibt, im Dezember 2023 ausläuft.
WDC wird weiterhin mit der Regierung und unseren Partnern vor Ort zusammenarbeiten, um zu zeigen, dass die Jagd auf Wale niemals human erfolgen kann. Unser Engagement, das Schlachten zu stoppen, ist unverändert stark; wir erstellen ausführliche Berichte über die Notwendigkeit der Beendigung des Walfangs und konzentrieren uns dabei auf Tierschutz und Umweltsicherheitsbedenken.

Wir haben öffentlich einen neuen Gesetzentwurf unterstützt, der der Regierung vorgelegt wurde und darauf abzielt, den Walfang in Island zu beenden, und werden weiterhin rechtliche Bemühungen finanzieren, um zu verhindern, dass Walfangschiffe im Mai 2024 den Hafen verlassen.
Unsere Arbeit in Island ist geprägt von Widerstandsfähigkeit, Zusammenarbeit und einem unermüdlichen Willen für den Schutz der Wale und die Aufrechterhaltung ethischer Standards. Indem wir Kontakte zu Gleichgesinnten knüpfen, die Wale als die unglaublichen Lebewesen schätzen, die sie sind, haben wir wichtige Meilensteine in unserem Kampf für ein endgültiges Ende des Walfangs in Island erreicht.
Obwohl es große Herausforderungen gab, setzen wir uns weiterhin für eine Zukunft ein, in der Wale ohne die Bedrohung durch den Walfang leben können. Wir möchten allen unseren Unterstützer:innen ein großes Dankeschön aussprechen; Ihre Unterstützung, sei es in der Form von Unterschriften, Spenden oder ermutigenden Worten, hat diese vorübergehende Aussetzung ermöglicht und das Leben von etwa 120 Finnwalen wurde dank Ihnen gerettet. Gemeinsam werden wir dafür kämpfen, dass kein Finnwal jemals wieder in isländischen Gewässern mit einer Harpune konfrontiert wird.