Norwegen erhöht Abschussquote für Walfang und streicht Tierschutz-Vorgaben

Mit Beginn der diesjährigen Walfangsaison in Norwegen hat die Regierung die Zahl der Zwergwale, die getötet werden dürfen, auf 1.000 erhöht. Außerdem wurden neue Vorschriften erlassen, die Walfänger:innen von fast allen Kontrollmechanismen befreien.
Für die Walfangsaison 2023 hat die norwegische Regierung die Überwachung der Jagd weiter gelockert: Die sogenannte "Blue Box" (oder "Ferdskriver") an Bord der Walfangschiffe, die die Position des Schiffes, die Motordrehzahl, Fahrtrichtung, Harpunenschüsse sowie das Gewicht des an Deck gebrachten Wals aufzeichnet, ist nunnicht mehr erforderlich.
"Mit dieser Entscheidung gibt es praktisch keine zuverlässigen Kontrollmechanismen für den norwegischen Walfang, geschweige denn eine unabhängige Aufsicht", sagt Astrid Fuchs, Leiterin des Bereichs Policy und Strategie bei WDC Deutschland. "Mit Blick auf den Tierschutz ist es unerklärlich, warum die Regierung die Entscheidung getroffen hat, die Kontrollen weiter zu lockern".
Der norwegische Fischereiminister Bjørnar Skjæran erklärte, er glaube, dass "Norwegen in Bezug auf effektive Fangmethoden und Tierschutz führend ist". Norwegens eigene Forschung stützt diese Aussage jedoch nicht, und ein Bericht aus dem Jahr 2018 ergab, dass fast 20 Prozent der Wale, die mit granatenbestückten Harpunen erschossen wurden, zwischen 6 und 25 Minuten leiden mussten, bevor sie schließlich starben. Viele der gejagten Wale sind trächtige Weibchen.
Ironischerweise bemerkte Skjæran auch: "Wenn wir die Nachhaltigkeitsziele der UN erreichen wollen, müssen wir mehr Nahrung aus dem Meer beziehen – nicht weniger. Der norwegische Walfang ist ein kleiner, aber wichtiger Beitrag zur ausgewogenen, lokalen Ernährung aus dem Meer". Er fügte hinzu: "Darüber hinaus essen Wale erhebliche Mengen an Fisch, der auch für andere Arten, einschließlich des Menschen, als Nahrung dient. Der norwegische Walfang trägt somit zumGleichgewicht des marinen Ökosystemsbei". Diese Äußerungen stehen in krassem Gegensatz zu den internationalen Bemühungen, Wale zu schützen und ihre Zahl zu erhöhen, um zur Bekämpfung der Biodiversitäts- und Klimakrise beizutragen.
"Die Wissenschaft zeigt die positive ökologische Rolle, die Wale im Ozean spielen. Daher ist das Gegenteil von Minister Skjærans Aussage der Fall: Zwergwale leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Wiederherstellung der Artenvielfalt. Somit widerspricht der bewusste Eingriff in die Walpopulationen den Strategien und Verpflichtungen Norwegens im Kampf gegen die Klima- und Biodiversitätskrise", sagt Ed Goodall, Leiter des Bereichs Internationale Zusammenarbeit bei WDC. "Die Verbreitung des Mythos, Wale seien schädlich für die Fischpopulationen ist enttäuschend. Die Wissenschaft zeigt, dass es sich umgekehrt verhält – Wale tragen zu einem ausgeglichenen Ökosystem bei, dazu gehören auch gesunde Fischpopulationen".
Bis zum 2. Mai wurden 37 Zwergwale von vier Walfangschiffen gefangen. Das ist deutlich weniger als im letzten Jahr um diese Zeit. Die Walfänger:innen machen schlechtes Wetter dafür verantwortlich, hoffen aber, dass die Fänge bald steigen werden.