Eine weitere Saison in Taiji geht zu Ende
Die vergangene Jagdsaison in Taiji hat Tierschützer:innen weltweit mit schockierenden Bildern bewegt. Von September 2022 bis Ende Februar 2023 wurden mindestens 560 Delfine Opfer der bekannten Treibjagden in Japan. Schlimme Frakturen und Verletzungen sowie getötete Jungtiere und Babys haben auch uns bestürzt.
Streifendelfine, Rundkopfdelfine und Breitschnabeldelfine machen mit 476 Individuen den Großteil der getöteten Delfine aus. Seit vielen Jahren wurden erstmals aber auch wieder Große Tümmler getötet, die sonst zumeist lebend für den für den Verkauf an Delfinarien gefangen werden. Für 30 von ihnen und drei Individuen anderer Spezies ist genau dieses Schicksal besiegelt. Sie wurden in kleine Meeresgehege in der Nähe von Taiji gebracht, während ihre Familienmitglieder getötet wurden. Dort werden sie trainiert, um später in Delfin-Shows in Asien oder dem Nahen Osten Zuschauer:innen zu unterhalten.
Akivist:innen vor Ort haben die Jagd dokumentiert, sodass wir sie mitverfolgen konnten. Besonders die Bilder vom dritten Februar waren schwer zu ertragen. An diesem Tag wurde eine Gruppe Streifendelfine in die Bucht getrieben. Die Delfine gerieten in Panik und viele von ihnen trugen deutlich sichtbare Verletzungen davon. Ein Delfin hatte eine derart schlimme Fraktur im Gesicht, dass seine Schnauze völlig deformiert und aufgerissen aussah.
Darüber hinaus konnten wir auch verfolgen, dass in der vergangenen Saison zahlreiche Babys und Jungtiere getötet wurden. Die meisten von ihnen wurden gemeinsam mit dem Rest ihrer Familie geschlachtet. Andere wurden zuvor von ihren Familien getrennt und hinterher im offenen Meer wieder ausgesetzt. Ein Todesurteil. Ihre Überlebenschancen ohne Mutter und Familienmitglieder sind gleich Null.
Dass weltweit Tausende Menschen gegen diese Grausamkeiten protestieren, empfinden die Verfechter:innen der Treibjagden als heuchlerisch und nicht nachvollziehbar. Ihr Standpunkt beruht darauf, dass dem Töten einiger hundert Kleinwale im Jahr abertausende Nutztiere gegenüberstehen, die in anderen Ländern weltweit für den menschlichen Verzehr getötet werden. So werden in Deutschland jeden Tag mindestens 150.000 hochintelligente Schweine geschlachtet oder für die Milchindustrie Tausende Kälber ihren Muttern entrissen. Auch wir bei WDC finden: Was die Verbesserung der Bedingungen angeht, unter denen diese Tiere ihr Leben fristen und schließlich sterben müssen, gibt es auch vor der eigenen Haustür mehr als genug zu tun! Die Gesetze und Regelungen zur Vermeidung von Tierleid sind bei weitem nicht ausreichend und werden außerdem nicht überall eingehalten. Aber wenigstens existieren gesetzliche Grundlagen, auf denen sich um die Vermeidung von Tierleid bemüht wird.
"Ein Wirbeltier darf nur unter wirksamer Schmerzausschaltung (Betäubung) in einem Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit oder sonst, soweit nach den gegebenen Umständen zumutbar, nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden. Ist die Tötung eines Wirbeltieres ohne Betäubung […] zulässig […], so darf die Tötung nur vorgenommen werden, wenn hierbei nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen entstehen", heißt es beispielsweise in §4 des deutschen Tierschutzgesetzes zum Töten von Wirbeltieren.

© Hans Peter Roth
Dass es so gut wie keine Auflagen oder Regularien für die Treibjagden in Taiji gibt, macht sie besonders schlimm. Stellt man sich die Delfine in Taiji vor – verletzt, in Panik oder zum Sterben allein im Meer ausgesetzt – dann kann von Vermeidung von Schmerzen keine Rede sein. Auch wenn den Delfinen mit einem speziellen Werkzeug gezielt das Rückgrat durchtrennt und damit ihr sofortiger Tod bewirkt werden soll, so ist unter den gegebenen Umständen eine schnelle Tötung ohne körperliches und seelisches Leid unmöglich. Genau aus diesem Grund bewegen die Geschehnisse in Taiji weltweit jedes Jahr aufs Neue viele Tierschützer:innen.
Auch wenn das Verständnis von Tierwohl und Ethik in verschiedenen Kulturkreisen variiert, so bleibt das jährliche Töten Hunderter Delfine zudem definitiv ein Vergehen an der Natur. Die Unterstützer:innen der Jagden behaupten, dass diese nachhaltig seien. Wenn dabei jedoch ganze Familien vollständig ausgelöscht oder Familienmitglieder getötet werden, die für den Fortbestand der Gruppe eine zentrale Rolle spielen, so wird dies gravierende Folgen für die Gesamtpopulation nach sich ziehen. Denn durch den Wegfall ganzer Gruppen wird der Genpool der Spezies nachhaltig beeinträchtigt.
Delfine sind Wildtiere und damit außerdem Teil größerer, komplexer Ökosysteme, in denen jedes Individuum eine wichtige Rolle spielt. Verschwinden sie aus den Ökosystemen, dann hat das nicht nur Einfluss auf die eigene Spezies, sondern auch für viele weitere Arten. Langfristig wird das jährliche Töten Hunderter Delfine also nicht nur das Vorkommen der eigenen Art schwinden lassen, sondern auch dafür sorgen, dass die Populationen vieler anderer Meerestiere immer weiter zurück gehen.
Unser Ziel bei WDC ist es, die japanische Regierung endlich erkennen zu lassen, dass die Jagd auf Delfine, wie auch auf Wale, ein unnötiges Vergehen an unserem Ozean und seinen Bewohnern darstellt. Dafür treiben wir Forschung voran, die die unersetzliche Rolle von Walen und Delfinen im Ökosystem Meer verdeutlicht. Außerdem arbeiten wir mit japanischen Kolleg:innen und Unterstützer:innen vor Ort daran auch die japanische Bevölkerung miteinzubeziehen. Unsere Vision ist ein Japan, das seine enge Beziehung zu Walen nicht auf dem Teller, sondern in ihrem Schutz zum Ausdruck bringt.
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Wir setzen uns weltweit in verschiedenen Projekten für Wale und Delfine ein.