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Mehr Schutz für Wale, unsere Klimahelden: Wir erhöhen den Druck auf die Regierungen

Die Klimakrise ist die größte Bedrohung für alles Leben auf der Erde. Doch es gibt...
Paten-Delfin Charlie © Charlie Phillips

Charlie – eine starke Persönlichkeit!

Charlie als Jungtier mit seiner Mutter Kesslet. © Charlie Phillips Mit seinen 16 Jahren hat...
Bucht von Taiji © Kunito

Geliebt und gejagt: Wale und Delfine in Japan

Wer unsere News und Blogs über Japan verfolgt, der hat meinen Namen sicherlich schon das...
© Flavio Gasperini

Ein Ozean voll Hoffnung

Das Hochsee-Abkommen, das 95 Prozent der Erdfläche schützen soll, ist ein eindrucksvolles Beispiel globaler Zusammenarbeit....

Warum „Achtsamer Naturschutz“ so wichtig ist

Um unseren Planeten und die Arten, mit denen wir ihn teilen, erfolgreich und effektiv zu schützen, brauchen wir ein radikales Umdenken in Bezug auf den Meeres- und Naturschutz. Fabian Ritter von WDC Deutschland teilt seine Vision eines neuen Denkens über die Wissenschaft, uns selbst und die Welt.

"Wir sollten Wale und Delfine als die Ureinwohner der Meere betrachten − und sie entsprechend behandeln".

Vor kurzem reiste ich auf die Kanarische Insel La Gomera, um die erste Walbeobachtungs-Erlebnisreise von WDC zu leiten. Dort besuchte auch ich einen Ort, der als besonderes wichtig für die Guanchen bekannt ist − das indigene Volk, welches in früheren Zeiten auf der Insel lebte. Es heißt, dass die Geister dieses Volkes noch immer an vielen Orten auf La Gomera zugegen sind, so auch an diesem Ort. Um diesen Glauben − und die Geister − zu ehren, legte ich eine Blume als Geschenk auf einen Felsen, der mir besonders auffiel.

Einen zukünftigen Naturschutz stelle ich mir genau so vor: Sowohl Orte als auch Arten und Lebensräume werden auf eine neue und ganzheitliche Weise respektiert. Ich nenne das "Achtsamen Naturschutz" oder auch "mindful conservation".

Zügeldelfine

Zügeldelfine

 

Sich (wieder) mit der Natur verbinden

Als Biologe bin ich darauf konditioniert, dass wissenschaftliche Daten das Allerwichtigste sind. Seit mehr als 25 Jahren sammle ich Daten und veröffentliche wissenschaftliche Artikel. Solche Daten sind zwar in der Tat wichtig, um die Notwendigkeit des Schutzes von Landschaften, die Einrichtung von Schutzgebieten und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt zu untermauern, aber sie sind nur ein Aspekt von vielen, wie wir uns für den Schutz der Natur einsetzen können.

Ich frage mich oft, warum der rein wissenschaftlich-intellektuelle Ansatz zum Schutz der Meere in den letzten Jahrzehnten nur begrenzten Erfolg hatte. Zweifellos gibt es einige großartige Erfolgsgeschichten im Wal- und Delfinschutz, aber insgesamt ist die Situation für viele Arten und Populationen heute kritischer als je zuvor. Das Konzept "Wir müssen mehr wissen" − ein Credo der Wissenschaft − wird oft sogar politisch missbraucht, um notwendige Schutzmaßnahmen aufzuschieben.

So bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir auf dem Weg zu einem wirksameren Meeresschutz tiefer blicken und an die Ursachen der multiplen globalen Krisen heranreichen müssen, anstatt nur mit deren Symptomen zu kämpfen. Wir müssen das Narrativ − das Konzept, dass der Mensch vom Rest der Natur losgelöst ist – ändern.

Wale und Delfine gelten als Vorzeigearten für den Schutz der Meere, während sie gleichzeitig auf extreme Weise unter unseren weltweiten Aktivitäten leiden. Es scheint eine große Diskrepanz zu bestehen zwischen dem, wie wir Menschen mit unseren Mitgeschöpfen im Meer umgehen − und unserem eigenen Anspruch, sie zu schützen. Auch deswegen brauchen wir einen neuen Ansatz im Meeresschutz und eine ganzheitliche und bewusste Herangehensweise an die Erhaltung des Ozeans und seiner Bewohner. Dazu gehört, sich bewusst zu machen, dass der Mensch ein integraler Bestandteil der Natur ist.

Der Wal wurde zu einem Symbol der Naturschutzbewegung

 

Ganzheitlicher Schutz

Traditionell betrachten wir den Schutz der Meere als ein Zahlenspiel: Wird eine bestimmte Anzahl von "Exemplaren" einer Art in einem bestimmten Gebiet geschützt, ist damit alles getan. Wale und Delfine sind jedoch empfindsame Wesen mit einem hohen Maß an Persönlichkeit, sozialer Komplexität, kognitiven Fähigkeiten, Selbstbewusstsein, populationsspezifischen Verhaltensweisen, Traditionen und Kulturen. Ein ganzheitlicher Ansatz zum Schutz der Meere würde diese Aspekte einbeziehen und dabei auch Folgendes berücksichtigen:

  • Traditionelles ökologisches Wissen und die Weisheit indigener Völker bekommen einen neuen Stellenwert. Denn oft kennen die Menschen vor Ort "ihre" Natur am besten.
  • Wale und Delfine (und andere Meerestiere) werden als unsere Verbündeten im Kampf gegen die Klima- und Biodiversitätskrise anerkannt, da sie eine ganze Reihe von wichtigen Ökosystemfunktionen erfüllen.
  • Die Heiligkeit von Naturräumen wird respektiert, indem wir Orte, Landschaften, Arten und unsere Beziehungen zu ihnen würdigen. Dies war meine Absicht, als ich mein Geschenk auf dem Felsen auf La Gomera platzierte. Indem wir durch Gesten wie diese mehr Respekt für die Natur aufbringen, verankern wir auch unser Verständnis für deren Schutzbedürftigkeit nachhaltig.
  • Es wird ein Fokus auf die Persönlichkeit jedes einzelnen Wals und Delfins gelegt. Mit dem Verständnis, dass jedes Individuum eine besondere Rolle innerhalb seiner Gemeinschaft spielt.
  • Die kulturelle Identität von Wal- und Delfingemeinschaften wird betont. Keine Population scheint der anderen gleich zu sein. Jede Familiengruppe hütet einen einzigartigen Wissensschatz über erlernte Verhaltensweisen, Dialekte, Jagdstrategien usw., die kulturell von einer Generation an die nächste weitergegeben werden.

Sperm whales

Die Anerkennung der Wal-Kulturen ist für den Schutz von entscheidender Bedeutung

WDC, M.E.E.R. (eine NGO, deren Vorsitz ich habe) und andere Organisationen sind federführend auf dem Gebiet, ein neues Denken im Natur- und Meeresschutz voranzutreiben. Gemeinsam weisen wir auf die Notwendigkeit hin, die Rechte von Walen und Delfinen zu respektieren und ihre Ökosystemfunktionen für die biologische Vielfalt und für das Klima anzuerkennen – und zu schützen.

 

Tiefgreifende Fragen

Wir Menschen müssen unser Verhalten grundlegend überdenken. Ein wirksamer Schutz von Walen, Delfinen und ihrem Lebensraum wird nur möglich sein, wenn sich auch unsere Werte grundlegend ändern. Dabei sollte sich jede:r Einzelne von uns fragen, welchen Fußabdruck unser Handeln auf dem Planeten hinterlässt und wie dieser minimiert werden kann. Ich glaube, dass Fragen wie "Was ist wirklich wichtig in meinem Leben?" oder "Was ist meine Aufgabe hier auf der Erde?" uns helfen können, Richtung auf unseren persönlichen Weg zu finden.

Solcher "Tiefgang" wird uns in unserer modernen Gesellschaft jedoch nicht beigebracht. Im Gegenteil werden wir vom Wesentlichen abgelenkt: Unseren grundlegendsten Werten wie Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Mitgefühl, Selbstfürsorge (nicht Selbstoptimierung!), Liebe und Frieden. Diese Ablenkung dominiert vielfach sogar unser Leben. Dies ist eine direkte Folge eines Narrativs, das uns glauben macht, dass es stets um „mehr, besser, schneller“ geht. Dieses Narrativ hat zu einer Trennung von uns selbst, von der Umwelt und voneinander geführt – als Gemeinschaften, Nationen, Rassen, Geschlechter, wissenschaftliche Disziplinen, usw.

Unser kapitalistisches System ist auf unendliches Wachstum angelegt, ja angewiesen. Aber die Physik, die Biologie und die Ökologie zeigen uns deutlich, dass ewiges Wachstum innerhalb der gegebenen Grenzen dieses Planeten nicht möglich ist. Stattdessen müssen wir qualitatives und persönliches Wachstum kultivieren, welches zu mehr gegenseitiger Wertschätzung beiträgt und unseren Respekt gegenüber der Natur vergrößert.

Zukünftiger Meeres- und Naturschutz wird anerkennen, dass es mehr − viel mehr − gibt, als wir mit den Augen zu sehen vermögen. Eine grundlegende Richtungsänderung durch ein Systemwechsel ist notwendig. Das mag radikal klingen, aber ich bin davon überzeugt, dass es viele Anzeichen dafür gibt, dass sich die Menschheit bereits in eine neue Richtung bewegt. Meine Vorstellung eines "Achtsamen Naturschutzes" ist ein solcher Ansatz und soll dazu beitragen, dass der Schutz der Meere und der Wale und Delfine eine neue Ebene erreicht.

 

Im Oktober 2022 wurde mein Artikel Marine Mammal Conservation in the 21st Century: A Plea for a Paradigm Shift Towards Mindful Conservation (Plädoyer für einen Paradigmenwechsel hin zu Achtsamem Meereschutz) in der wissenschaftlichen Buchreihe Advances in Marine Biology veröffentlicht. Ich schrieb den Artikel als Vorsitzender von M.E.E.R., einer Partner-NGO von WDC mit Sitz in Berlin. Sie können sich die Veröffentlichung hier ansehen.

Unterstützen Sie unsere Arbeit!

Wir setzen uns weltweit in verschiedenen Projekten für Wale und Delfine ein.

Über Fabian Ritter

Leiter Meeresschutz - Fabian Ritter ist Biologe und leitet bei WDC den Bereich Meeresschutz.

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