Blauwale und die Bedrohung durch Mikroplastik – wie wir dieses Problem lösen können
Unsere Liebe zum Kunststoff begann in den 1950er Jahren. Damals revolutionierte er die gesamte Industrie. Aber was passiert, wenn man ein Material, das für die Ewigkeit gebaut ist, für die Massenproduktion von Wegwerfprodukten verwendet? Gehen wir der Sache auf den Grund.
Wenn Sie schon einmal einen Blauwal bei der Nahrungsaufnahme beobachtet haben, kennen sie sein besonderes Filtersystem: Er nimmt riesige Schlucke Meerwasser auf und filtert dann seine Nahrung aus dem Wasser – winzige, garnelenähnliche Lebewesen, Krill genannt sowie winzige Fische. Jeder Schluck kann bis zu 80.000 Liter Wasser enthalten ... und eine Menge Mikroplastik.
Mikroplastik sind Plastikstücke, die weniger als fünf Millimeter lang sind. Sie können aber auch deutlich kleiner sein, sodass wir ein Mikroskop brauchen, um sie zu sehen. Mikroplastik entsteht entweder absichtlich in der Industrie oder durch Abnutzung von Kunststoffen: Ein Polyesterpullover, der beim Waschen Fasern verliert oder die Einwirkung von Sonne, Wind und Wellen auf ein Plastikstück am Strand beispielsweise.

Riesige Mengen an Kunststoffgranulat landeten an den Stränden Sri Lankas, nachdem ein Containerschiff im Jahr 2021 Feuer gefangen hatte.
Schwindelerregende Mengen
Mikroplastik sammelt sich in der Nahrungskette an, beginnend bei den kleinsten Organismen bis hin zu den größten Walen: Phytoplankton (mikroskopisch kleine pflanzenähnliche Organismen) und Zooplankton (mikroskopisch kleine Tiere wie Krill) stehen am Anfang der Nahrungskette und scheinen viel Mikroplastik aufzunehmen. Zusammen mit diesem werden sie dann von Fischen gefressen, von denen sich wiederum größere Fische ernähren – und so weiter. Die höchsten Konzentrationen von Mikroplastik treten in Tiefen von 50 bis 250 Metern auf, also genau dort, wo sich einige filtrierende Wale gerne aufhalten.
Eine im November 2022 veröffentlichte Studie zeigte, dass Krill-fressende Blauwale täglich bis zu 10 Millionen Mikroplastikteile verschlucken können – das entspricht etwa 43,6 Kilogramm, dem Gewicht eines durchschnittlichen 13-jährigen Menschen. Nur etwa ein Prozent des verschluckten Plastiks stammt direkt aus dem Meerwasser, die anderen 99 Prozent nehmen die Wale mit ihrer Nahrung auf. Das Risiko ist bei Blauwalen und den großen Mengen an Krill, die sie verschlucken, natürlich größer als bei anderen Arten. Ein Buckelwal, der sich hauptsächlich von Fisch ernährt, nimmt dagegen vermutlich "nur" bis zu 200.000 Mikroplastikpartikel pro Tag auf, also 50-mal weniger als ein Blauwal. Ein Krill-fressender Buckelwal schluckt wiederum bis zu vier Millionen Mikroplastikpartikel.
Unbekannte Auswirkungen
Was der Verzehr solch enormer Mengen an Mikroplastik für die Gesundheit der Wale bedeutet, ist noch unklar. Das toxische Risiko, das mit dem Verschlucken einhergeht, ist unbekannt. Es besteht die Möglichkeit, dass sich das Mikroplastik im Magen des Krills und später der Wale in noch kleinere Nanoplastikteilchen auflöst und mit ihren Ausscheidungen wieder in die Umwelt freigesetzt wird. Solche unverdaulichen Mengen im Magen bedeuten für die Wale jedoch einen höheren Energieverbrauch.

Plastik im Meer zersetzt sich in immer kleinere Mikro- oder sogar Nanoplastikteile, die nie wieder vollständig verschwinden.
Komplexe Belastungen
Umweltkrisen wie die Bedrohung durch Mikroplastik existieren nicht isoliert – sie alle sind eng miteinander verknüpft und verstärken sich gegenseitig. Der Bericht der Vereinten Nationen "Making Peace with Nature" fordert die Mitgliedstaaten deswegen auf, im Rahmen von verschiedenen Umweltabkommen getroffene Ziele, Vorgaben, Verpflichtungen und Mechanismen besser aufeinander abzustimmen. Ein neues globales Plastikabkommen könnte viele durch den Menschen entstandene Gefahren für Wale und Delfinen deutlich verringern – sei es die Bedrohung durch Mikroplastik, Fischernetze, den Klimawandel oder die chemische Verschmutzung der Meere.
Was wir tun
Ich selbst arbeite in verschiedenen internationalen Gremien, um die Auswirkungen der Plastikverschmutzung auf die Meere und meine geliebten Wale und Delfine zu verringern. Eines dieser Gremien ist die Internationale Walfangkommission (IWC, das Gremium, das die Waljagd international regelt und Entscheidungen über den Schutz und das Wohlergehen von Walen und Delfinen trifft). Der IWC kommt eine Schlüsselrolle beim Verständnis und der Bekämpfung der Auswirkungen von Mikroplastik zu.
Auf der jüngsten IWC-Tagung haben wir uns daher zusammen mit der "Environmental Investigation Agency" (EIA), "OceanCare" und "Humane Society International" (HSI) an die EU gewandt. Wir möchten, dass sie die Plastikverschmutzung zu einem vorrangigen Anliegen der IWC macht und auf eine regionale und internationale Zusammenarbeit drängt.
Außerdem haben wir zusammen mit Partner-NGOs ein Informationspapier für die anwesenden Regierungsvertreter:innen verfasst, um sie auf das Thema aufmerksam zu machen.

Unser Team bei der 68. Sitzung der Internationalen Walfangkommission in 2022.
Großer Erfolg
Am Ende wurde eine leicht überarbeitete Version unseres Textentwurfs von den IWC-Mitgliedsländern angenommen. Dies geschah "im Konsens", also mit der Zustimmung aller Kommissionsmitglieder. Das kommt bei IWC-Tagungen nicht sehr oft vor und ist ein großer Erfolg!
Indem die IWC sich an den Diskussionen über ein neues globales Übereinkommen zur Plastikverschmutzung beteiligt, kann sie einen massiven, positiven Einfluss auf die weltweiten Bemühungen zur Verringerung der Plastikverschmutzung und der damit verbundenen Schäden haben.
Es handelt sich um ein gewaltiges Problem, aber wir lassen uns nicht entmutigen. Mit Ihrer Unterstützung werden wir die bisher weitgehend unsichtbare Bedrohung durch Mikroplastik sichtbar machen und den Druck auf diejenigen aufrechterhalten, die die Macht haben, zu helfen. Wenn genügend politische Verantwortliche unseren Willen teilen, können wir es schaffen!
[shariff]
Unterstützen Sie unsere Arbeit!
Wir setzen uns weltweit in verschiedenen Projekten für Wale und Delfine ein.