Mit verantwortungsvollem Whale Watching hat das nichts zu tun, Norwegen!

Ich wünschte es gäbe zum Start des neuen Jahres mal etwas Positives über Norwegen und seine Beziehung zu Walen zu schreiben.
Nachdem die norwegische Walfang-Flotte im letzten Jahr trotz geringer Nachfrage im Land eine Rekordzahl an Zwergwalen erlegt und die Regierung eine Genehmigung für grausame Hörtests an Zwergwalen erteilt hat, muss es doch sicher auch etwas Gutes zu berichten geben? Doch leider fühlt es sich an wie im Film "Täglich grüßt das Murmeltier" – denn wieder einmal sind Wale in norwegischen Gewässern in Gefahr, und diesmal auch Menschen.
Das totale Chaos
Die Gefahrenzone liegt in der norwegischen Arktis vor Skjervøy nordöstlich von Tromsø, wo die Industrie für die Walbeobachtung (dazu gehört auch das Tauchen mit Orcas) im Chaos versinkt. Ein trauriges Beispiel, wie man auf keinen Fall Whale Watching durchführen sollte. Das ist nicht neu – bereits im Dezember 2019 hatte ich einen Blog darüber geschrieben. Aber die Situation in dieser Saison ist deutlich schlimmer, da die pandemiebedingte, aufgestaute Nachfrage nach Urlaub und Ausflügen zu einer Explosion im Tourismus geführt hat und neue und unerfahrene Betreiber*innen auf den Markt drängen, um die Chance zu nutzen. Sie haben es vor allem auf Orcas und Buckelwale abgesehen, die sich in diesen eiskalten Gewässern von Heringen ernähren.
Mitte November spitzte sich die Lage zu, woraufhin Tourguide Krisztina Balotay einen erschütternden Bericht auf Facebook veröffentlichte, um auf die sich verschlechternde Situation vor Ort aufmerksam zu machen. Krisztina bot bis vor ein paar Jahren selbst Tauchgänge mit Orcas an, ging aber aufgrund der Entwicklung in der Branche dazu über, ausschließlich Überwassersichtungen anzubieten.

Bericht aus erster Hand
Krisztina schreibt: Der Wahnsinn begann, als wir heute eine große Gruppe von Buckelwalen fanden. Wir sprechen von 20 Buckelwalen und wahrscheinlich 50 Schnorchlern auf fünf kleinen Beibooten. Sie lassen die Leute direkt vor den fahrenden Booten ohne Sichtmarkierungen ins Wasser. Sie sind weit von ihren "Begleitbooten" entfernt und kommen anderen Booten in die Quere. Die Boote schneiden sich gegenseitig, um näher an die Wale heranzukommen. Es war buchstäblich wie im Wilden Westen ... die Leute kümmern sich NICHT um die Sicherheit. Sie riskieren nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das der anderen. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, was die Wale durchmachen, aber ich bin mir sicher, dass all dies eine immense Belastung für sie darstellt.
Ihr Beitrag löste eine Flut von Reaktionen aus, die alle ein gemeinsames Thema hatten: zu viele Boote, die um die Wale herumfahren, ihnen den Weg abschneiden und sogar Mütter und ihre Jungen voneinander trennen. In Kommentaren wurde beschrieben, wie Boote um ihre Positionen stritten und Tauchboote die Schnorchler*innen praktisch direkt über den Walen ins Wasser ließen.
Das ist eindeutig die falsche Art und Weise, Walbeobachtung zu betreiben und katastrophal im Hinblick auf den Walschutz. Die Orcas und Buckelwale halten sich in der Region auf, um zu jagen – diese wiederholte Belästigung kann die Fähigkeit der Wale beeinträchtigen, ihre lebenswichtigen täglichen Aufgaben wie Nahrungssuche, Interaktionen untereinander, die Versorgung ihrer Jungen und ihre Ruhezeiten zu erfüllen.
Gibt es in Norwegen keine Vorschriften?
Die Vorschriften für die Walbeobachtung wurden im Dezember 2019 in Kraft gesetzt, aber sie sind nicht sehr detailiert und werden weitgehend ignoriert. Das Hauptproblem besteht darin, dass es kaum definierte Regelungen gibt, sondern nur ein übergreifendes Verbot, "Whale Watching in einer Weise zu betreiben, die dazu beiträgt, dass die Wale in ihrem natürlichen Lebensraum gestört werden".
Das ist natürlich richtig, aber völlig subjektiv und sehr schwammig. Vor allem angesichts der vielen neuen und unerfahrenen Betreiber*innen, die nicht unbedingt erkennen, wenn sich die Wale gestört fühlen, denn das erfordert Fachwissen.
Im Gegensatz zu den Vorschriften in vielen anderen Teilen der Welt, die den Anbieter*innen spezielle Hinweise zum Verhalten und zur Handhabung ihrer Boote in der Nähe von Walen geben, verbietet die norwegische Vorschrift einzig die Annäherung an arbeitende Fischereifahrzeuge.
Es hat den Anschein, dass die Sicherheit und das Wohlergehen von Schnorchler*innen und Walen weniger wichtig sind als die Vermeidung von Unannehmlichkeiten für Fischer*innen. Das überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass Whale Watching-Aktivitäten von der norwegischen Fischereidirektion verwaltet werden.
Was tut WDC?
Gemeinsam mit Expert*innen vor Ort haben wir die norwegische Fischereibehörde (NFD) aufgefordert, Vorschriften für die Walbeobachtung zu erlassen, einschließlich eines völligen Verbots des Schnorchelns aus Sicherheitsgründen und zum Schutz der Wale.
2016 unterstützte WDC die ausgezeichneten Richtlinien, die von Visit Tromsø mit Hilfe unserer lokalen Partner, Giovanna Bertella und Mario Acquarone von der UiT und dem Walexperten Russell Baker, entwickelt wurden. In diesen Richtlinien wird ausdrücklich davor gewarnt, mit Walen ins Wasser zu gehen.
Im Jahr 2017 schloss sich WDC einer Koalition lokaler Expert*innen an, die sich an die NFD wandte, um dringende Bedenken zu äußern und eine Regulierung zu fordern.
Im Juni 2019 arbeiteten wir mit unseren Partner*innen im Land zusammen, um einen detaillierten Beitrag zum Entwurf der Walbeobachtungsvorschriften zu leisten (obwohl wir leider nicht glauben, dass die daraus resultierenden Vorschriften zweckmäßig sind).

Wie geht es weiter?
Letzten Monat habe ich aus der Ferne an einer Sitzung in Skjervøy mit mehr als 80 Unternehmer*innen, Vertreter*innen von Behörden und Gemeindemitgliedern teilgenommen. Ein ähnliches Treffen fand in Tromsø statt, und es war klar, dass unsere Bedenken weitgehend geteilt wurden. WDC schrieb auch an die NFD und war Mitverfasser eines Briefes, in dem die folgenden Maßnahmen zur dringenden Umsetzung gefordert wurden:
- Ein Verbot für Menschen, mit Walen oder Delfinen ins Wasser zu gehen
- Eine wissenschaftliche Definition dessen, was eine "Störung" von Walen in der Nähe darstellt
- Die Entwicklung eines Genehmigungssystems zur Begrenzung der Anzahl der Schiffe
- Detaillierte Vorschriften für die Walbeobachtung, die sich an bewährten internationalen Praktiken orientieren, aber regionsspezifisch sind. Diese sollten Bestimmungen zu Geschwindigkeit und Annäherungswinkel, Mindestabständen, Verhalten in der Nähe von Müttern mit Jungtieren usw. enthalten.
- Die Einrichtung eines Systems für die offizielle Lizenzierung, Ausbildung und Zulassung aller kommerziellen Betreiber*innen sowie die Überwachung und Durchsetzung aller Whale Watching-Aktivitäten
Es scheint, dass die offiziellen Stellen den Aufschrei und die bei den öffentlichen Sitzungen im letzten Monat geäußerten Bedenken zur Kenntnis genommen haben. Der norwegische Seedienst hat begonnen, in der Region zu patrouillieren, Schiffslizenzen zu überprüfen und mit den Betreiber*innen zu sprechen. Das ist natürlich ein Fortschritt, aber man hat immer noch das Gefühl, dass ihr Hauptaugenmerk auf der Überwachung der Fischerei liegt und nicht auf den Sicherheitsbedenken der Walbeobachtungs- und Tauchindustrie.
Unterstützen Sie unsere Arbeit!
Wir setzen uns weltweit in verschiedenen Projekten für Wale und Delfine ein.
Wir waren im November 2022 einige Tage zum whale watching in Skjervoy. Als wir den Artikel gelesen haben hatten wir Zweifel ob es richtig war. Zum Glück haben wir es nicht abgeblasen. Warum? Alles was zur Organisation und Durchführung im Artikel steht haben wir zum Glück so nicht erleben müssen. Es waren nur einzelnen Taucher im Wasser und die Boote hielten deutlichen Abstand zu den Tieren um Sie nicht zu stressen. Es waren nie mehr als 4-5 Boote bei einer Gruppe. So war das ganze dann doch ein großes Erlebnis ohne schlechtes Gewissen.