Walfang in Norwegen: grausam und sinnlos

Wenn Sie ein Fan der Quizshow "Pointless" sind, werden Sie mit dem Format vertraut sein: 100 Mitglieder der Öffentlichkeit werden gebeten, Fragen zum Allgemeinwissen zu beantworten. Die Teilnehmer*innen versuchen dann, die unbeliebtesten Antworten zu erraten und zielen darauf ab, eine "sinnlose" Antwort zu bekommen – eine, die keiner der Befragten gegeben hat.
Ich würde wetten, dass auf die Frage "Welche Länder töten noch Wale aus Profitgründen?" die beliebteste Antwort "Japan" wäre, dicht gefolgt von "Island".
Wie kommt es also, dass Norwegens Zwergwaljagd praktisch unter dem Radar durchgeht?
Als Kampaignerin gegen Walfang hat mich das schon lange gestört, nicht zuletzt, weil norwegische Walfänger*innen in den letzten 10 Jahren mehr Wale getötet haben als Japan oder Island – und in drei dieser Jahre sogar mehr als diese beiden Nationen zusammen.
Liegt es vielleicht daran, dass Norwegen geografisch so nah an Europa liegt und es sich unangenehm anfühlt, dass der Walfang sozusagen vor unserer Haustür stattfindet? Oder liegt es daran, dass der kommerzielle Walfang in Norwegen nicht zum fortschrittlichen Ruf des Landes passt? Immerhin ist Norwegen die viertreichste Nation der Welt (gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf), mit dem größten Staatsfonds der Welt (1,2 Billionen Dollar). Ironischerweise genießt Norwegen auch ein sauberes, grünes, umweltfreundliches Image: Seine schönen und wilden Naturlandschaften sowie die norwegische Umweltpolitik werden von vielen anderen Ländern beneidet.
Was auch immer der Grund dafür sein mag, dass die Jagd auf Zwergwale in Norwegen kaum thematisiert wird – im letzten Sommer wurden so viele Wale getötet wie seit Jahren nicht mehr: 2020 schlachteten Walfänger*innen 503 Zwergwale, im Vorjahr waren es noch 429.
Die Saison 2021 wurde Anfang dieses Monats eröffnet, wobei die Regierung den Walfänger*innen erneut eine Quote von 1.278 Walen zugestanden hat. Aktuell sind schon über 100 Zwergwale Opfer der Jäger geworden. Der Skipper der "Reinebuen", brüstete sich kürzlich: "Wir haben jetzt mehr geschlachtete Tiere an Bord, als wir je zuvor. Das ist ziemlich gut, so früh in der Saison ... [es] muss uns erlaubt sein, ein wenig zu prahlen". Er fügte hinzu: "Einige Menschen sind empfindlich und wollen keinen Walfang. Sie denken, es ist schrecklich, Tiere zu töten – am besten sollten sie dann nur Blumen essen."
Derartige Äußerungen machen mich krank.
Unglaublich grausam
Es ist kein Geheimnis, wie furchtbar Walfang ist: Ein Bericht, der der Internationalen Walfangkommission (IWC – dem Gremium, das die Waljagd reguliert) 2018 von norwegischen Behörden vorgelegt wurde, bestätigte die immense Grausamkeit der Zwergwaljagd. Sie enthüllte, dass fast 20 Prozent der Wale, die mit Granaten-bestückten Harpunen erschossen werden, bis zu 25 Minuten lang leiden, bevor sie sterben.
Besonders besorgt bin ich über die Entscheidung der Regierung, die Vorschriften für den Walfang erneut zu lockern, sodass nur noch ein Besatzungsmitglied über Walfang-Erfahrung verfügen muss. Zu allem Überfluss wird das Schiess-Training aufgrund der Pandemie jetzt online und nicht mehr unter realen Bedingungen durchgeführt. Unerfahrene Schützen verursachen eine höhere Time-to-death-Rate (die Wale leiden länger, bevor sie sterben): Ich befürchte, dass man den Tierschutz-Standards somit immer weniger gerecht werden wird.
Der norwegische Walfang ist aber nicht nur grausam, sondern auch verschwenderisch: Die Walfänger*innen entfernen oft nur die besten Teile des Fleisches vom Körper jedes Wales und werfen den Rest des Kadavers weg.

Walfleisch (C) Michael Tenten
Schwangere Wale sind ein leichtes Ziel
Nur wenige Menschen sind sich darüber bewusst, dass etwa 70 Prozent der getöteten Wale Weibchen sind – und viele von ihnen sind schwanger. Das ungeborene Baby stirbt also zusammen mit seiner Mutter. Schwangere Wale bewegen sich langsamer und halten sich oft näher am Ufer auf, wodurch sie ein leichteres Ziel für die Walfänger*innen darstellen. Aus Sicht des Artenschutzes wirkt sich die Tötung trächtiger Wale sowohl auf die genetische Vielfalt als auch auf das Populationswachstum aus – damit ist diese Entwicklung besonders beunruhigend.
Während die Inlandsverkäufe von Walfleisch im letzten Jahr gestiegen sind – sehr wahrscheinlich eine vorübergehende Anomalie aufgrund der Pandemie – ist der allgemeine Trend schon seit Jahren rückläufig. Tatsächlich ergab eine von WDC und anderen NGOs in Auftrag gegebene Umfrage aus dem Jahr 2019, dass nur vier Prozent der befragten Norweger*innen angaben, "oft" Walfleisch zu essen. Zwei Drittel gaben an, entweder gar kein oder nur "vor langer Zeit einmal" Walfleisch gegessen zu haben.
Norweger*innen wollen keine Wale essen
Bei den jüngeren Befragten war der Trend noch deutlicher: 75 Prozent der 18- bis 29-Jährigen gaben an, dass sie nie Walfleisch essen oder es nur "vor langer Zeit" getan haben. Frauen sind weit weniger als Männer daran interessiert, Walfleisch zu konsumieren. Nur neun Prozent der Gruppe der über 70-Jährigen gaben an, dass sie "oft" Walfleisch verzehren.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Verkäufe im Inland mit dem Abklingen der Pandemie wahrscheinlich wieder sinken werden – warum hält Norwegen weiter am Walfang fest?
Die Antwort liegt in einer Regierung, die stur an einer Industrie festhält, die schon lange ausgedient hat. Jahrzehntelang hat die norwegische Regierung ihre Walfangindustrie subventioniert und den Verzehr von Walfleisch stark gefördert. Tatsächlich behauptete Odd Emil Ingebrigtsen, Norwegens Minister für Fischerei, kürzlich: "Beim norwegischen Walfang geht es um das Recht, unsere natürlichen Ressourcen zu nutzen ... Wale sind ein gutes Essen und die Norweger wollen darauf nicht verzichten".
Wir wissen, dass das nicht stimmt – tatsächlich wurden sogar beträchtliche staatliche Zuschüsse gewährt, um Walfleisch auf Food Festivals und in Schulen zu bewerben. Andere Strategien beinhalteten Versuche, überschüssiges Walfleisch an Obdachlose abzugeben. Es gab auch staatliche Unterstützung für die Entwicklung von Nahrungsergänzungsmitteln und kosmetischen Produkten, die aus Walöl hergestellt werden; aber alle hatten gemischte Ergebnisse und der Trend ist weiterhin rückläufig.
Was tut WDC?
Sie werden noch viel von uns zu diesem Thema hören, da wir mit anderen Organisationen, Einzelpersonen und offiziellen Stellen zusammenarbeiten – sowohl in Norwegen als auch in anderen Ländern, die noch am Walfang festhalten. Unser Ziel ist es, den Walfang weltweit zu beenden.

Geschlachteter Zwergwal (C) Michael Tenten
Die Umfrageergebnisse, die zeigen, dass vor allem Frauen und junge Menschen dem Walfleisch den Rücken kehren, sind für mich sehr ermutigend. Die Norweger*innen sind sich offenbar zunehmend bewusst, dass Berichte über die Anzahl der getöteten trächtigen Weibchen sowie die Verschwendung bei der Jagd negative PR für Norwegen auf der Weltbühne erzeugen.
Blick in die Zukunft
Die meisten Norweger*innen sind sehr umweltbewusst. Ich glaube, dass sie die Botschaft bereitwillig annehmen werden, dass jeder getötete Wal ein Wal weniger ist, den man beobachten kann – oder der uns hilft, den Ozean gesund zu erhalten und die Klimakrise zu bekämpfen.
Im Dezember letzten Jahres schloss sich Norwegen 13 anderen Nationen in einem globalen Ozean-Panel an, mit der ehrgeizigen Verpflichtung, bis 2025 100 Prozent der Meeresfläche unter nationaler Gerichtsbarkeit nachhaltig zu bewirtschaften. Außerdem hat Norwegen gemeinsam mit den Regierungen Großbritanniens und der USA ein Spendenprogramm in Höhe von einer Milliarde Dollar ins Leben gerufen, um die Regenwälder vor der Abholzung zu schützen und die schädlichen Emissionen bis 2030 zu reduzieren. Neben diesen lobenswerten Initiativen wirkt Norwegens fortgesetzter Walfang heuchlerisch und nicht mehr zeitgemäß.
Es ist an der Zeit, die Norweger*innen dabei zu unterstützen, sich gegen den Walfang zu wehren. Die Botschaft: Walfang ist grausam und sinnlos.
[shariff]
Unterstützen Sie unsere Arbeit!
Wir setzen uns weltweit in verschiedenen Projekten für Wale und Delfine ein.
I was also not aware of that. Really hope, that this can be stopped somehow.