Wie war es, im Rettungsteam bei der Grindwal Strandung in Tasmanien dabei zu sein?

Dr. Maddie Brasier ist Meeresbiologin an der University of Tasmania und Mitglied des "Wildcare Tasmania Whale Rescue Volunteer First Response" Team. Sie wurde von "Parks and Wildlife Tasmania" in der Walrettung ausgebildet. Außerdem ist sie eine WDC-Unterstützerin und verkauft ihre schönen gestrickten Walmützen auf etsy, um Geld für unsere Arbeit zu sammeln.
Als ich hörte, dass sie an der Rettungsaktion der in Tasmanien gestrandeten Grindwale beteiligt war, fragte ich Maddie, ob sie ihre Geschichte mit uns teilen würde. Überlassen wir nun Maddie das Wort:
In der Nacht zu Sonntag, dem 20. September, strandeten Hunderte Langflossen-Grindwale an der Westküste Tasmaniens. Der Grund dafür bleibt unbekannt, doch dieses Gebiet Tasmaniens ist ein bekannter Hotspot für Massenstrandungen. Möglicherweise verlieren die Tiere die Orientierung oder gelangen zufällig in zu flache Küstengebiete. Grindwale sind neugierige Tiere, die die Echoortung zur Navigation nutzen: In flach abfallenden Gebieten mit sandigem Meeresboden, wie Macquarie Harbour, wird die Orientierung jedoch schwierig. Aufgrund ihrer starken sozialen Bindungen ist es auch wahrscheinlich, dass einige wenige Individuen die ganze Gruppe unbeabsichtigt in eine tragische Situation geführt haben.
Am Montagmorgen erhielt ich den Anruf, "Mach dich bereit!", und ich sagte sofort "ja", weil ich wusste, dass ich versuchen musste, diesen Walen zu helfen. Der Standort war mehr als fünf Stunden von meinem Haus in Hobart entfernt und als ich an der Westküste ankam, war es bereits dunkel. Die Teams vom Meeresschutzprogramm der Tasmanischen Regierung und "Parks and Wildlife Tasmania" waren dabei, eine Basis in einer nahe gelegenen Stadt zu errichten, die zum Hauptquartier für die Rettungsmission werden sollte.
Am Dienstagmorgen um 7.30 Uhr stand ich knietief im Wasser des Macquarie Harbour, umgeben von über 200 gestrandeten Walen. Es gab keine Zeit zu verlieren, jeder Wal musste untersucht werden. Damit die lebensfähigen Wale eine Überlebenschance hatten, wurden ausgewählte Wale von Expert*innen innerhalb des Meeresschutzprogramms kleinen Teams zugeteilt. Diese Individuen wurden auf Matten geschoben, an Jet-Booten angebunden aus dem Hafen gebracht und schließlich vor der Küste ausgesetzt. Dieser Teil der Rettung war kritisch, da die Freilassung von Walen, die nicht "lebensfähig" sind, oder die Freilassung am falschen Ort das Risiko in sich birgt, dass einzelne Wale wieder stranden oder schlimmer noch, eine weitere Massenstrandung verursachen.

Wir durften keine Sekunde verlieren. Das bin ich mit der grauen Mütze (C) Brodie Weeding, The Advocate
Die Westküste Tasmaniens ist nass und wild, wir hatten an den ersten beiden Tagen der Rettungsmission mit allen möglichen Wetterlagen zu kämpfen, während wir langsam unsere Rettungstechnik optimierten. Mein Team arbeitete vier ganz Tage im Hafen, die Arbeit war sowohl auf physischer als auch auf emotionaler Ebene anstrengend. Einige dieser Wale waren sieben Meter lang, wogen über 2.000 kg und mussten über die Sandbank erstmal in tieferes Wasser transportiert werden, um an den Booten aus dem Hafengebiet gezogen zu werden. So viele Wale in einem so verzweifelten Zustand zu sehen, war wirklich herzzerreißend. Die Bindungen zwischen diesen Walen sind unglaublich stark, auf eine Art und Weise die wir Menschen vielleicht nie wirklich verstehen werden. Ich hörte, wie Mütter nach ihren Jungen riefen, selbst wenn ihr Nachwuchs bereits tot war. Manche Wale waren sogar so verzweifelt, dass es für uns gefährlich gewesen wäre sie zu bewegen, da sie mit ihren mächtigen Schwanzflossen um sich schlugen. Wann immer möglich, versuchten wir Wale, die offenbar zusammengehörten auch gemeinsam zu befreien. Zum Beispiel konnten einige Jungtiere im flachen Wasser schwimmen, sodass wir die Mutter auf eine Matte legen und an das Boot binden konnten, während ihr Nachwuchs neben uns herschwamm.
Nach den ersten zwei Tagen unserer Rettungsmission wurden weitere 200 Wale von einer Hubschrauberbesatzung gesichtet: Sie befanden sich fast 10 km entfernt, an einem extrem abgelegenen Ort des Hafengebiets. Es wird vermutet, dass diese Wale zur gleichen Zeit wie die Wale auf der Sandbank gestrandet sind, denn leider waren die meisten von ihnen bereits tot. Für unser Rettungsteam war es unglaublich frustrierend, dass wir für die meisten von ihnen nichts mehr tun konnten. Wir mussten unsere Gedanken und Bemühungen auf die Wale konzentrieren, denen wir noch helfen konnten. Zusätzlich zu den Hafenteams arbeiteten weitere Teams an den Stränden außerhalb des Hafens und setzten dort eine kleine Anzahl von Walen frei. Insgesamt wurden 110 Individuen zurück ins Meer begleitet. Die Bootsführer*innen sagten mir, dass die meisten Wale etwa fünf Minuten brauchten, um sich wieder zurechtzufinden und aufs offene Meer hinauszuschwimmen. Als ich diese Nachricht hörte, während wir unsere Arbeit im Hafen fortsetzten, kamen mir fast die Tränen.

Die Rettung war dank der unglaublichen Teamarbeit erfolgreich (C) The Advocate Newspaper Tasmania
Wir gaben 110 Walen eine zweite Chance zu leben. Unsere Mission war nur deshalb so erfolgreich, weil so viele Menschen und Organisationen ihre Zeit und Mittel zur Verfügung stellten. Ohne das Management-Team und die Expert*innen des staatlichen Meeresschutzprogramms, den Mitarbeiter*innen von "Parks and Wildlife Tasmania", den geschulten Freiwilligen, der tasmanischen Polizei, den lokalen Fischer*innen, dem Team "Surf Life Saving Tasmania" und der örtlichen Gemeinschaft, die uns Nahrung und Unterkunft zur Verfügung stellte, wäre diese Mission nicht möglich gewesen. Es bestärkte uns sehr zu sehen, wie alle Beteiligten zusammenkamen, um diese wundervollen, intelligenten Wale zu retten und ihre Zukunft zu sichern. Die gemeinschaftliche Rettungsaktion gab mir neue Hoffnung: Denn auch die Ozeane sind von der globalen Biodiversitätskrise betroffen und spielen eine Rolle beim Klimawandel.
[shariff]
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