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Die tragische Geschichte der vom Aussterben bedrohten Orcas vor Großbritannien

Die beiden Orca-Männchen "John Coe" und "Aquarius" könnten die letzten verbliebenen Familienmitglieder der "West Coast Community" vor Großbritannien sein. (C) Steve Truluck
Die beiden Orca-Männchen "John Coe" und "Aquarius" könnten die letzten verbliebenen Familienmitglieder der "West Coast Community" vor Großbritannien sein. (C) Steve Truluck

Wenn Sie David Attenboroughs Dokumentation "Extinction: The Facts" gesehen haben, ist Ihnen die tragische Geschichte der Orca Population vor Großbritannien sicher bekannt. Die Gruppe wird als "West Coast Community" bezeichnet. Aufgrund der chemischen Verschmutzung ihres Lebensraums, verursacht durch den Menschen, sind sie bald ziemlich sicher vom Aussterben bedroht.

Diese Orcas verbringen ihre Zeit zwischen Schottland, Wales und Irland. Bis 2016 glaubte man, dass die winzige Population aus neun Individuen besteht. Leider musste erst einer der Orcas sterben – ein Weibchen namens Lulu – um zu verdeutlichen, was genau dieser Gruppe solche Überlebensschwierigkeiten bereitet.  

In den letzten Jahren wurden nur zwei der Orcas der West Coast Community gesichtet – die beiden Orca-Männchen "John Coe" und "Aquarius". Die anderen sechs Familienmitglieder könnten inzwischen bereits gestorben sein, wir wissen es jedoch nicht genau.  Fotoaufnahmen der Orcas, die an der Westküste des britischen Festlands gesichtet wurden, waren alle zu weit entfernt oder verschwommen, sodass wir die Tiere nicht eindeutig identifizieren konnten.

 

Lassen Sie uns etwas tiefer in die Geschichte eintauchen ...

Eines Morgens im Jahr 2016 ereilte ein tragischer Schicksalsschlag die Population. Lulu, ein junger weiblicher Orca von nur 20 Jahren, wurde tot aufgefunden. Einige Tage zuvor hatte sie sich in einer Angelschnur verfangen, mit der typischerweise Hummer vom Meeresboden hochgezogen werden. Sie hatte keine Möglichkeit, sich aus den Schnüren zu befreien und starb deshalb einen langwierigen und qualvollen Tod, als sie von dem Fanggerät langsam unter Wasser gezogen wurde und ertrank.

Wir glauben, dass das Beuteschema der West Coast Community kleine Meeressäuger sind, da man sie oft in der Nähe von Felsen sieht, auf denen sich während der Welpen-Saison Seehunde tummeln. Man geht davon aus, dass die West Coast Community sich genetisch von anderen Orcas in der Region unterscheidet. Ihre nächsten Verwandten stammen vermutlich aus der Antarktis. Seit Anfang der 1990er Jahre wird die Population untersucht, aber in all dieser Zeit wurde kein einziger Nachwuchs geboren. Niemand wusste warum, aber durch ihren Tod gab Lulu uns einige Antworten.

In Großbritannien haben wir ein hochkarätiges Team von Wissenschaftler*innen, die Wale, Delfine und Tümmler nach ihrem Tod untersuchen. Sie eilen zum Ort des Geschehens und führen eine Obduktion durch: Die Forscher*innen nehmen Proben und versuchen herauszufinden, woran das Individuum gestorben ist. Mit den Proben können auch Schlussfolgerungen über den Lebenslauf des Wals oder Delfins gezogen werden. Dadurch erhalten wir ein besseres Bild von den Lebensumständen des Individuums: Von was hat sich das Tier ernährt? Hatte es Nachkommen? War es gesund oder hat eine Krankheit zum Tod geführt? Die Obduktion von Lulu bestätigte, dass das Unglück mit der Angelschnur zu ihrem Tod geführt hatte. Ebenfalls konnte bestätigt werden, dass Lulu nie schwanger gewesen war – obwohl sie mit ihren 20 Jahren eigentlich bereits mehrfache Mutter hätte sein müssen. Ein Befund, der weiterer Untersuchungen bedurfte.

Orcas sind Spitzenprädatoren. Sie stehen in der Nahrungskette ganz oben, sie haben keine natürlichen Fressfeinde und fressen im Gegenzug fast alles. Das bedeutet aber auch, dass alles, was sich im Gewebe ihrer Beute ansammelt, sich über die Nahrungsaufnahme auch in ihren Körpern ablagert. Lulu hat im Laufe der Zeit also indirekt all das gefressen, was ihr eigenes Abendessen und das Abendessen ihres Abendessens, zuvor verdaut haben. Einschließlich aller Giftstoffe. Ein tragischer Verlauf für Lulu, aber auch für andere Orcas: Sobald das unterste Glied der Nahrungskette etwas Giftiges zu sich nimmt, ist die gesamte Nahrungskette davon betroffen. Der Übeltäter? Vor allem Polychlorierte Biphenyle (PCBs). Diese vom Menschen hergestellten Chemikalien wurden unter anderem als Isolier- und Kühlflüssigkeiten in Elektrogeräten verwendet. PCBs erwiesen sich jedoch als so giftig, dass ihre Herstellung vor rund drei Jahrzehnten weltweit verboten wurde. Jedoch nicht rechtzeitig genug, weshalb sie in riesigen Mengen sowohl durch ihre Verwendung als auch durch ihre Entsorgung in die natürliche Umwelt gelangten.

PCBs brauchen sehr lange, um sich abzubauen und aufgrund ihrer geringen Verdunstungsrate sind sie heute in Ozeanen, Seen und Flüssen reichlich vorhanden. Der Kontakt mit PCBs bringt eine Fülle von gesundheitlichen Auswirkungen mit sich: von Leberschäden bis hin zu Krebs, einem geschwächten Immunsystem bis hin zu Unfruchtbarkeit und allem, was dazwischen liegt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich PCBs leider "biomagnifizieren", was bedeutet, dass die Konzentration innerhalb der Nahrungskette zunimmt. Schlimme Nachrichten für Raubtiere, die an der Spitze der Nahrungskette stehen.

 

Lila: Menge von PCBs, die nachweislich zu Schäden im Organismus führen; Grün: durchschnittliche Menge von PCBs, die in den Körpern von Orcas im Nordatlantik nachgewiesen wurden; Gelb: Menge von PCBs, die in Lulus Körper gefunden wurde.

Lila: Menge von PCBs, die nachweislich zu Schäden im Organismus führen; Grün: durchschnittliche Menge von PCBs, die in den Körpern von Orcas im Nordatlantik nachgewiesen wurden; Gelb: Menge von PCBs, die in Lulus Körper gefunden wurde.

 

Lulus Speckschicht, der sogenannte "Blubber", enthielt 950 mg PCBs. Das ist mehr als das Hundertfache des oberen Grenzwertes von 9 mg, der bekanntermaßen Schäden im Organismus von Meerestieren verursacht. Angesichts der Tatsache, dass der durchschnittliche Kontaminationsgrad für Orcas im Nordatlantik immer noch erschreckende 150 mg beträgt, gab es keinen Zweifel daran, dass Lulu eine schwerwiegende Vergiftung hatte. Es scheint unglaublich und mit sehr viel Glück verbunden zu sein, dass sie so lange überleben konnte. Das Rätsel, wieso Lulu keinen Nachwuchs geboren hatte, war gelöst. Da ihr Körper von Giftstoffen durchsetzt war, konnte sie kein normales Orca-Leben führen.

 

Was also lernen wir aus dieser traurigen Geschichte?

Lulus verheerender und verfrühter Tod zeigt, wie wichtig es (insbesondere nach dem Brexit) ist, strenge Gesetze zum Schutz von Walen und Delfinen zu verfolgen. Nur so können wir verhindern, dass weitere Meeressäuger wie Lulu dafür leiden müssen, dass unsere Teller stets gefüllt sind. Das Verheddern in Fanggeräten, auch "Beifang" genannt, gehört weltweit zur häufigsten Todesursache von Walen, Delfinen und Tümmlern. Es gibt alternative Fischfang-Methoden, um den Beifang zu verhindern … bisweilen sterben aber weiterhin jedes Jahr Hunderttausende Meerestiere wie Lulu; Tausende in britischen Meeren. Die Tragödie von Lulus Leben – der hohe Vergiftungsgrad, der ihre Gesundheit und ihre Fähigkeit Mutter zu werden massiv beeinträchtigte – lehrt uns, dass wir in Sachen Umweltverschmutzung extrem vorsichtig sein müssen. Denn nur weil man Umweltgifte nicht sehen oder riechen kann, heißt das nicht, dass sie ungefährlich sind. PCBs sind die stillen Killer in unserer Mitte.

 

 

 

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Über Nicola Hodgins

Policy Manager at WDC

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