Artensterben und Klimakrise betreffen uns alle

Der vergangene Woche veröffentlichte Bericht des UN Weltbiodiversitätsrats zum Artensterben sollte der ultimative Weckruf sein für alle, die das Verschwinden von Arten und die Veränderungen des Weltklimas nach wie vor für Themen der Zukunft halten. Der Verlust von Arten, Ökosystemen und ökologischer Vielfalt schreitet weltweit voran und ist zu einer generationenübergreifenden Bedrohung für die Menschheit geworden.
Statt kurzfristiger Wahlgeschenke und Klientelpolitik besteht dringender politischer Handlungsbedarf in ganz anderer Richtung. Um das Leben unserer Kinder und Enkelkinder auf diesem Planeten auch noch in mehreren Jahrzehnten lebenswert zu erhalten, müssen wir jetzt handeln!
Es steht viel auf dem Spiel. Die biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen wie Nahrung und sauberes Wasser verschlechtern sich dramatisch: Das Artensterben ist heute mindestens Dutzende bis Hunderte Male größer als im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre. Bis zu eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Bereits jetzt sind viele Lebensräume zerstört oder stark gefährdet: 75 Prozent der Landoberfläche und 66 Prozent der Meeresfläche sind demnach bereits stark verändert. Die negative Entwicklung ist auf direkte Treiber wie beispielsweise Landnutzungsänderungen, Umweltverschmutzung und Klimawandel zurückzuführen. Über 85 Prozent der Feuchtgebiete sind verloren gegangen. Zwischen 2010 und 2015 sind 32 Millionen Hektar Primärwälder und seit den 1870er-Jahren etwa die Hälfte der Korallen verschwunden.
Der jährlich früher eintretende Overshoot day ist ein weiteres Beispiel dafür, wie wir mit den natürlichen Ressourcen umgehen. So lag er 2019 in Deutschland bereits bei Anfang Mai: wir hatten also bis dahin die natürlichen Ressourcen, die uns eigentlich innerhalb eines Jahres zur Verfügung stehen, schon im Mai verbraucht.
Hunderttausende Wale und Delfine sterben jedes Jahr durch zerstörerische Fanggeräte der Fischereiflotten als sogenannter Beifang. Nach wie vor werden in nicht wenigen Weltmeeren Wale und Delfine eingefangen, um sie zahlendem Publikum vorzuführen. Wale und Delfine werden gejagt und getötet. Regelmäßig werden Wale und Delfine an Stränden tot angespült, weil sie bei vollem Magen an verschluckten Plastikteilen verhungert sind. Der heimische Schweinswal an unseren Küsten wird seiner Lebensgrundlage beraubt und findet nicht einmal in sogenannten Meeresschutzgebieten Schutz. Die Forderungen, die wir als Wal- und Delfinschutzorganisation stellen, sind also weder utopisch noch ungerechtfertigt, sondern sollten zu entschlossenem und sofortigen Handeln der regierenden Parteien führen.
Selbst wenn jetzt konkrete Maßnahmen ergriffen werden, um dem menschengemachten Artensterben und Klimaveränderungen gegenzusteuern, dann sind viele Prozesse leider nicht mehr umkehrbar und können allenfalls noch abgemildert werden. Der industrielle Walfang und seine Folgen bildet ein eindrückliches Beispiel dafür: von diesem haben sich die Walpopulationen weltweit bis heute nicht vollständig erholt. Laut aktueller Studien speichern die weltweit verbliebenen Großwale als direkte Folge des Walfangs rund neun Millionen Tonnen weniger Kohlenstoff als vor dem Walfang. Alternativ würde eine allmähliche Erholung der Walbestände die Entfernung von rund 200.000 Tonnen Kohlenstoff pro Jahr bedeuten, was in etwa der CO₂ Speicherung von 110.000 Hektar Wald entspricht.
Ich bin der Überzeugung, dass die Verantwortung zwar nicht an Einzelne abgegeben werden darf, denn primär müssen politische Anreize geschaffen werden, die klimaschädliches Verhalten und Ressourcenraubbau bestrafen. Dennoch gibt es einiges, das wir selbst durch unsere Lebensweise beeinflussen können: Fahrrad fahren, zu Fuß gehen, Bus und Bahn fahren, anstatt ins Auto steigen, in den Urlaub nicht mit dem Flugzeug reisen, regional, saisonal und biologische Lebensmittel einkaufen, reparieren und gebraucht statt neu kaufen, möglichst wenig Fisch und Fleisch essen und wenn dann biologisch bzw. aus nachhaltigem Fang, auf Plastiktüten komplett verzichten und stattdessen Stoffbeutel verwenden, kein verpacktes Obst und Gemüse kaufen, Ökostrom beziehen, usw. Dies nur, um zu verdeutlichen, welche Einflussmöglichkeiten bzw. Lenkungsmöglichkeiten wir als Konsument*innen haben.
Dem steht jedoch gegenüber, dass Güter, Waren und Dienstleistungen für uns in Deutschland immer und überall verfügbar sind. Konventionell hergestellte Lebensmittel, Fleisch, Kleidung und Elektronik sind viel zu billig und man kann bequem von überall und zu jeder Tag und Nachtzeit Dinge bestellen, die zu einem nach Hause geliefert werden. Dass all dies auf Kosten der Ökosysteme geht, in denen wir leben, dringt nur langsam in unser Bewusstsein.
Es ist höchste Zeit, gegenzusteuern, denn das Artensterben und die Klimakrise sind längst bei uns angekommen. Wer hätte gedacht, dass 30 Jahre nach Gründung unserer Organisation und gut 30 Jahre nach dem Verbot des kommerziellen Walfangs, die Gründe, sich für Wale und Delfine und ihren Lebensraum Wasser einzusetzen, dringlicher sind als je zuvor?
Unterstützen Sie unsere Arbeit!
Wir setzen uns weltweit in verschiedenen Projekten für Wale und Delfine ein.