Cafés im Kampf gegen Plastik – Warum Bioplastik keine Alternative ist
WDC-Praktikantin Rieka Janssen hat in den letzten Wochen Münchner Cafés besucht und davon überzeugt, sich der Challenge zu stellen, ihren Plastikverbrauch weiter zu reduzieren. Im Blog berichtet sie von ihren Erfahrungen.
In Deutschland gehen stündlich 320.000 Coffee-to-go Becher über die Ladentheke. Manch einer greifen aus Unwissenheit zu den Bechern, bei vielen spielt jedoch auch die Bequemlichkeit eine Rolle: Wir möchten zwar gerne nachhaltig handeln – es nicht zu tun, ist jedoch oft die einfachere Option. Deshalb müssen wir dringend eine Situation erreichen, in der Kunden ein nachhaltiger, plastikfreier Einkauf nicht nur ermöglicht wird, sondern die umweltschädliche Option gar nicht erst zur Auswahl steht. In der Café-Branche betrifft das nicht nur den berühmten Coffee-to-go Becher, sondern auch die Prozesse hinter der Theke – ob es sich nun um Frischhaltefolie, Joghurt in Plastikbechern oder Milch im Tetrapack handelt. Ich möchte in diesem Blog jedoch vor allem über Einweggeschirr berichten, da ich in den letzten Wochen miterleben konnte, wie Café-Besitzer durch das geplante und inzwischen für 2021 angesetzte Verbot von Einweg-Plastik vermehrt unter Druck stehen und nach Alternativen für Becher, Strohhalme & Co. suchen.
Prinzipiell ist das geplante Verbot natürlich zu begrüßen – Plastik gefährdet unseren Planeten enorm und politische Handlungen im Bereich Umweltschutz sind dringend notwendig. Ein Problem ist jedoch, dass viele Plastik-Alternativen, auf die Betreiber nun umstellen, ebenfalls ganz und gar nicht nachhaltig und umweltfreundlich sind. Darauf aufmerksam geworden bin ich zum ersten Mal während meines Besuchs in einem Eiscafé, dessen Besitzer ich die WDC-Challenge Ja(hr) zu weniger Plastik vorgestellt habe. Das Café verwendete nach wie vor Strohhalme und Plastiklöffel, wollte dies aber unbedingt ändern. Einen Anbieter für alternative Produkte hatte der Besitzer sich auch schon rausgesucht – und stellte mir die Frage: „Ist der empfehlenswert?“ Biologisch abbaubar, kompostierbar, nachhaltig versprach der Anbieter. Aber stimmt das wirklich?
Warum Bioplastik und Zuckerrohr keine Alternativen sind
Die Produkte werden aus Bioplastik hergestellt. Aber was ist das überhaupt? Zunächst einmal ist der Begriff nicht klar definiert, denn zum einen können damit Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen bezeichnet werden, zum anderen biologisch abbaubare Rohstoffe. Entscheidend ist, dass nicht automatisch jede Art von Bioplastik biologisch abbaubar oder aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt ist.
Auch der Anbau und die Weiterverarbeitung von Rohstoffen wie Mais und Zuckerrohr sind im Endergebnis oft nicht so nachhaltig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Problematisch wird es außerdem bei der angeblichen „Kompostierbarkeit“, denn obwohl viele Produkte durch Zertifikate als kompostierbar ausgezeichnet sind, können sie in Deutschland im Normalfall nicht kompostiert werden. Die durchschnittliche Rottezeit in den Anlagen ist kürzer als die für Bioplastik benötigte und die Produkte werden stattdessen verbrannt. Diese Form der Verbrauchertäuschung – denn auch Café-Besitzer werden im Einkauf zu Verbrauchen – ist leider nichts Neues.
Vor ein paar Jahren brachten Supermärkte die Bioplastiktüte in die Geschäfte, die 100 prozentige Kompostierbarkeit versprach und zunächst von vielen bejubelt wurde. Doch schnell kamen Zweifel auf. Die deutsche Umwelthilfe klagte gegen zwei Supermärkte mit dem Vorwurf der Verbrauchertäuschung und die Tüten wurden letztendlich aus dem Verkauf genommen.
Selbst ein Coffee to go Pappbecher kann wegen seiner Plastikbeschichtung im Inneren des Bechers in der Regel nicht recycelt werden. Eigentlich logisch, aber vor dem Hintergrund wirksamer Marketingstrategien wird das schnell vergessen. Ernsthafte Probleme, Diskussionen und vor allem offene Fragen verschwinden hinter Greenwashing, irreführenden Zertifikaten und dem Label „umweltfreundlich“. Eine gute Marketingstrategie schafft es, beinahe alles als nachhaltig zu verkaufen. Wie schwierig es ist, als Privatperson oder auch als Cafébesitzer vor diesem Hintergrund den Überblick zu behalten, habe ich in den letzten Wochen selbst erfahren dürfen. Auf Einweg-Alternativen umzusteigen kann deshalb nicht die Lösung sein, wenn ein EU-weites Verbot von Plastik-Einweggeschirr kommt.
Salate, Suppen & Co. in Weck-Gläsern
Die beste Alternative zu Einweggeschirr aus Plastik ist deshalb nur eine: gar kein Einweggeschirr. Wie das funktionieren kann, zeigt Kathrin Große in ihrem Münchner Café Kitchen2Soul. Sie hat sich der Challenge gestellt, den eigenen Plastikverbrauch noch weiter zu reduzieren. Als ich sie zwei Monate nach meinem ersten Besuch erneut wiedersehe, erzählt sie mir, dass die Strohhalme mittlerweile komplett abgeschafft seien.
Auch auf Deckel für Coffee-to-go Becher wird von nun an verzichtet – die braucht man nämlich eigentlich gar nicht. Laut Kathrin Große reagieren vor allem die Kunden positiv auf die Umstellungen: „Manchmal fragen Kunden nach einem Deckel. Dann erklären wir, warum es bei uns keine gibt. Das wird immer positiv aufgenommen und die Kunden gehen dann letztendlich glücklich aus dem Laden.“
Am liebsten ist es jedoch gesehen, wenn jemand seinen eigenen Becher mitbringt – und seine eigenen Behälter für Essen zum Mitnehmen. Sollte jemand keinen Behälter dabeihaben, gibt es die Möglichkeit, Suppe, Salate & Co. in Weckgläsern gegen eine Pfandgebühr auszuleihen. Genau das sind die Art der nachhaltigen Alternativen, die wir brauchen. Statt z.B. Coffee-to-go Becher zu ersetzen, müssen Kunden Anreize geliefert bekommen, gar nicht erst welche zu verwenden.
Viele der von mir besuchten Cafés bieten kleine Rabatte für Getränke an, wenn man seinen eigenen Becher mitbringt. Falls ein Kunde seinen Becher vergessen haben sollte, kann man für diesen Fall ein Pfandleihsystem anbieten – wie das Kitchen2Soul zeigt, funktioniert das mit Essen genauso gut wie mit Getränken. Ein Stück weit liegt es natürlich auch am Verbraucher, sich damit abzufinden, dass das To-Go-System, wie wir es bisher kennen, auf Dauer nicht funktionieren kann und wird.
Auch das ist am geplanten Einweg-Plastik-Verbot positiv zu werten: Dem Verbraucher wird noch einmal eindrücklich aufgezeigt, dass unser momentaner Lebensstil und der damit einhergehende Müllverbrauch ein schwerwiegendes Problem darstellen, dem notfalls die Politik Grenzen setzen kann. Welche Schlupflöcher das geplante Verbot jedoch bereithält und ob es letztendlich auch zu einer ökologischeren Gastronomie führen kann, bleibt abzuwarten. Ich bin gespannt auf die Zukunft und hoffe, dass es im Bereich Einweggeschirr auf Dauer nicht einen Wandel hin zu Alternativen geben wird, die ökologisch ebenfalls fragwürdig sind.
Leider ist mein Praktikum mittlerweile vorbei, aber ich wünsche WDC weiterhin ganz viel Erfolg mit der Kampagne „Weniger Plastik ist Meer“, die den Fokus auf Plastikmüll hat, aber trotzdem – wie ich es in meinem Praktikum selbst miterleben durfte – auf ganzheitliche Müllvermeidung setzt. Denn wie meine Kollegin Ruth es beim Clean Up Day in Frankfurt treffend formuliert hat: „Der beste Müll ist immer der, der gar nicht erst entsteht.“