Karl Ketterl kämpft in Augsburg gegen vermüllte Stadtkanäle
In Stadtbächen finden sich nicht mehr nur Äste, Blätter und organisches Material, sondern jede Menge Plastikmüll. Eine Erfahrung, die Karl Ketterl fast täglich macht. Er arbeitet an einem kleinen Wasserkraftwerk mitten in Augsburg. WDC hat den engagierten Gewässerschützer interviewt.
WDC: Sie arbeiten in einem kleinen Wasserkraftwerk am Hanreibach, einem Stadtbach in Augsburg. Was ist dort Ihre Aufgabe und was ist Ihnen in elf Jahren Tätigkeit dort aufgefallen?
Karl Ketterl: Meine Aufgabe besteht darin, die Anlage so zu betreiben, dass sie dauerhaft und über
das ganze Jahr Strom aus erneuerbarer Energie erzeugt. Der Hanreibach, ein Stadtkanal, wird zur Entsorgung von Müll missbraucht.
WDC: Welchen Müll und welche Mengen fischen Sie pro Jahr aus dem Hanreibach?
Karl Ketterl: Auf der folgenden Übersicht habe ich die Müllmengen, die mit Fotos belegt sind, zugeordnet.
WDC: Welche Müllfunde sind Ihnen besonders in Erinnerung?
Karl Ketterl: Aus den Jahren 2011 bis 2014 – ein Kühlschrank, Kunststoffteppiche und ein Bildschirm, aus dem Jahr 2015 etwa ein Kubikmeter Glasflaschen, aus dem Jahr 2016 defekte Plastikzäune und etwa 500 Liter Styropor und aus dem Jahr 2017 etwa 300 Plastikhundekotbeutel.
WDC: Wenn Sie am Kraftwerk Müll aus dem Bach ziehen. Was geht Ihnen dann durch den Kopf?
Karl Ketterl: Herz und Verstand geben mir vor: Ich kann den Müll nicht im Wasser lassen. Ich muss ihn herausholen. Er schädigt nicht nur das heimische Gewässer und damit uns Menschen, die Pflanzen und Lebewesen, der Müll landet im Lech, dann in der Donau und schädigt letztendlich auch das Schwarze Meer.
WDC: Was müsste Ihrer Meinung nach geschehen, damit sich etwas ändert?
Karl Ketterl: Die Müllverursacher in den heimischen Gewässern wissen nicht, welchen Schaden sie anrichten. Deshalb sollen besonders die Menschen an Bächen und Flüssen hinsichtlich der Gewässerreinhaltung sensibilisiert werden. Die gesetzlichen Möglichkeiten bei einem Verstoß sollte unser Staatswesen effizienter gestalten. Das derzeitige Wasserhaushaltsgesetz sieht je nach Maß der Schädigung eine Strafe bis zu 50.000 € vor. Doch um einen Verstoß gegen das Wasserhaushaltsgesetz nachzuweisen, sind klare Zuordnungen zum Verursacher notwendig. Ein Beispiel aus dem Straßenverkehr bei überhöhter Geschwindigkeit: Die Polizei erfasst die Geschwindigkeit, den Ort, die Straße, ein Bild der Person mit Datum und Uhrzeit der Aufnahme. Bei einer Verunreinigung der Gewässer ist diese Vorgehensweise nahezu undenkbar oder eben nicht realisierbar. Die Gewässerreinigung kann realistisch gesehen nur Wasserkraftwerken auferlegt werden. Der Kraftwerksbetreiber sollte also grundsätzlich die nichtnatürlichen Stoffe in Gewässern entsorgen. Klar ist auch, dass der Aufwand für die Entsorgung des Mülls nur dann dem Betreiber auferlegt werden kann, wenn er eine Entschädigung erhält. Dazu müsste das Wasserhaushaltsgesetz geändert werden, um die heimischen Gewässer und damit die Meere vor dem Müll bewahren.
WDC: Was planen Sie dazu?
Karl Ketterl: Mehrere Wege sind denkbar:
- Die Gründung einer Schutzgemeinschaft „Gewässerreinhaltung“. Falls sich Interessierte uns anschließen wollen, hier die Mailadresse: [email protected]
- Eine verstärkte Zusammenarbeit der für den Naturschutz eintretenden Organisationen, z. B. die Zusammenarbeit mit WDC.
- Die Medien bieten die Möglichkeit, viele Menschen hinsichtlich der Reinhaltung der heimischen Gewässer und damit auch für den Schutz der Weltmeere zu sensibilisieren.
- Die politisch Verantwortlichen in den Parlamenten, wie dem Bayerischen Landtag und dem Bundestag einbinden und starke Überzeugungsarbeit leisten. Der politische Druck auf die Verantwortlichen in den Parlamenten muss wesentlich erhöht werden. Wer jetzt nicht handelt, stellt die Zukunft unserer Kinder in Frage. Nur eine gesunde „Mutter Erde“ bildet die Grundlage für uns alle auf unserem Planeten.
WDC: Was kann jeder von uns dazu beitragen, dass weniger Plastik in unseren Gewässern und letztendlich im Meer landet?
Karl Ketterl: Alle können Plastik vermeiden und das Verhalten im Umgang mit Plastik verbessern.
Plastik ist ein Erdölprodukt und sollte erneut einer Verwendung zugeordnet und der Rest entsorgt werden. Nicht akzeptabel ist, wenn Plastik in den heimischen Gewässern und damit auch in den Weltmeeren landet.
Auf Plastik kann schon jetzt verzichtet werden, z.B., indem man Lebensmittel wieder in Papier verpackt oder im Glas kauft. „Schritt für Schritt“! Ich habe die „plastikfreie“ Zeit in den 50er und 60er erlebt. Damals gab es keine Discounter oder Großmärkte. Der „Kramerladen“ war noch allgegenwärtig. Im Lebensmittelsektor sehe ich deshalb den Weg zurück als richtig an.