Erschütternde Zahlen: 2016 strandeten so viele Schweinswale wie nie zuvor
Ein Bericht über 318 Schweinswal-Totfunde aus Schleswig-Holstein, die im Jahr 2016 vom Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) untersucht wurden, reiht eine Vielzahl erschütternder Fakten auf, aus denen wir mehr darüber erfahren wie es um die Schweinswale in der Nord- und Ostsee bestellt ist.
Unter anderem stellt der Bericht die Untersuchungsergebnisse zu 33 Tieren im Detail vor. Von diesen 33 Tieren waren zehn Wale als Beifang in Fischernetzen gestorben, elf sind durch Nahrungsfische erstickt und sieben wahrscheinlich Opfer einer Delfinattacke geworden. Bei zwei Schweinswalen wurde eine Blutvergiftung als Todesursache festgestellt. Mindestens ein Tier kam als Folge von Gehörschäden ums Leben.
Die monatliche Verteilung der Schweinswalfunde mit bekanntem Funddatum aus Nord- und Ostsee zeigt, dass die meisten Tiere zwischen Juni und September gefunden werden, mit Höhepunkten im Juli 2016 (Nordsee) und September (Ostsee).
„Dieser Bericht legt ein erschütterndes Zeugnis über den Zustand der Populationen in deutschen Gewässern ab“, so Fabian Ritter, Meeresschutzexperte bei WDC. „Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich ausschließlich um die Totfunde aus dem Bundesland Schleswig-Holstein handelt, diejenigen aus Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern kommen noch hinzu. Wir sprechen hier außerdem nur über diejenigen Tiere, die tatsächlich gefunden bzw. gemeldet werden. Die Dunkelziffer kennt niemand, sie ist aber vermutlich (sehr) hoch“.
Lärm im Meer
Eines der 33 ausgewerteten Tiere zeigt deutliche Veränderungen im Innenohr. Die Ursache dafür ist unklar, eine Verletzung durch massive Schalleinwirkung (die z.B. beim Bau von Windkraftanlagen oder von Militärsonaren verursacht wird) jedoch wahrscheinlich. Es ist von einer erheblichen Beeinträchtigung des Gehörsinns auszugehen. Darüber lassen sich vermutlich auch der schlechte Ernährungszustand und der ausgeprägte Muskelschwund dieses Tieres erklären. Weiter zeigten 55% der untersuchten Schweinswale einen Parasitenbefall, der auf einen schlechten Gesundheitszustand der Tiere hindeutet. Verschmutzung des Lebensraumes und Kontamination der Tiere mit Schadstoffen können dazu führen.
Beifang als große Gefahr
Bei insgesamt elf der 33 Tiere wurden Netzmarken festgestellt, diese weisen eindeutig darauf hin, dass sich Schweinswale immer wieder in Fischernetzen verfangen,. Schwere Verletzungen und der Tod können die Folge sein. Eine Schweinswal-Beifangrate von 33% der Totfunde ist dramatisch hoch und kann nicht abgefedert werden – das Schrumpfen von Populationen ist die Folge.
Verletzungen durch Delfine
Von September bis Dezember 2016 hielt sich ein männlicher Großer Tümmler in der Deutschen Ostsee auf. Im selben Zeitraum wurden sieben tote Schweinswale gefunden, die ungewöhnliche Verletzungen aufwiesen. Die äußeren Verletzungen waren nur gering, die inneren– wie vielfache Rippenbrüche – dagegen massiv. Dies lässt darauf schließen, dass die Schweinswale von einem Großen Tümmler getötet wurden. Derselbe Große Tümmler, der sich in der deutschen Ostsee aufhielt, wurde in Dänemark während eines Angriffs auf einen Schweinswal gefilmt, was diese Vermutungen untermauert.
Weitere Ergebnisse in Zahlen und Tabellen
Anzahl der untersuchten Schweinswale nach Alter
Die Zahl der Totfunde in der Ostsee steigt
Auf der Insel Sylt gab es 2016 ein Rekordhoch von 102 toten Schweinswalen. Dennoch ist die Zahl der Totfunde in der Nordsee in den letzten Jahren insgesamt leicht gesunken. Dies könne mit der Verschiebung des Lebensraums der Tiere zusammenhängen, da sich dieser in südlichere Gewässer verlagert.
Warum die Zahl der Totfunde in der Ostsee weiter steigt bleibt ungeklärt. Durch Zählungen aus dem Jahr 2016 ist bekannt, dass der Bestand der Tiere nicht größer wird. Die Zahl der Beifänge und entsprechender Verdachtsfälle ist deshalb alarmierend.
„Wir wissen heute, dass der Beifang von nur einem Tier pro Jahr in der zentralen Ostsee für die dortige kleine Population zu viel ist. Außerdem darf ‚Nachhaltigkeit’ nicht als eine Beifangquote gemessen werden, die eine Population ‚aushält’. Bei langlebigen und fühlenden Säugetieren wie Walen geht es stets um jedes Individuum“, so Ritter.
Die vielen Gefahren wirken vereint auf die Schweinswale ein, kumulative Auswirkungen müssen in Betracht bezogen werden. Speziell in Schutzgebieten – wie z.B. dem Schweinswal-Schutzgebiet vor Sylt – müssen menschliche Aktivitäten reguliert werden, sei es die Fischerei, die Befahrung mit Schiffen und Booten, etc. oder der Unterwasserlärm, fordert WDC.