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Paten-Delfin Charlie © Charlie Phillips

Charlie – eine starke Persönlichkeit!

Charlie als Jungtier mit seiner Mutter Kesslet. © Charlie Phillips Mit seinen 16 Jahren hat...
Bucht von Taiji © Kunito

Geliebt und gejagt: Wale und Delfine in Japan

Wer unsere News und Blogs über Japan verfolgt, der hat meinen Namen sicherlich schon das...
© Flavio Gasperini

Ein Ozean voll Hoffnung

Das Hochsee-Abkommen, das 95 Prozent der Erdfläche schützen soll, ist ein eindrucksvolles Beispiel globaler Zusammenarbeit....
Current © OrcaLab

Current – ein echter Familien-Orca!

Current in der Johnstone Strait © Gary Sutton Current oder auch "Curry", wie wir diese...

Der Einfluss der japanischen Walfanglobby

Ein weiterer Gastbeitrag von Kame-Kujira-Neko. Kame ist ein japanischer Schriftsteller, der sich engagiert gegen Walfang und Delfintreibjagden in seiner Heimat ausspricht. Auf seinem Blog berichtet er regelmäßig über aktuelle Entwicklungen und politische Hintergründe.

Am 16. Juni hat das japanische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das nichts Gutes für die Wale verheißt. Es trägt den Titel “Gesetz über die wissenschaftliche Walforschung zur Implementierung des kommerziellen Walfangs”. Ich nenne es schlicht „Lieblings-Sashimi Gesetz“.

Die vergangene Gesetzgebungsperiode in Japan wurde vom sogenannten „Gesetz gegen Verschwörung” und dem Skandal um  Premierminister Abes Vetternwirtschaft überschattet. Das von der Walfang-Lobby vorgeschlagene Gesetz zum Walfang bekam daher wenig Aufmerksamkeit und wurde innerhalb von kürzester Zeit verabschiedet. Abgesehen von der kritischen Frage eines tapferen Abgeordneten fand darüber keinerlei Diskussion statt.

Die meisten Japaner wissen nicht einmal, dass ein solcher Gesetzesvorschlag eingebracht und verabschiedet wurde. Es besteht eine große Kluft zwischen den Abgeordneten, die stur am Geschäft mit antarktischem Walfleisch festhalten und einer Bevölkerungsmehrheit, die kein großes Interesse an den Entwicklungen hinsichtlich des Walfangs hat. An den Lebensraum Antarktis denkt dabei leider niemand.

Sie fragen sich, wie dieses Gesetz das Parlament so problemlos passieren konnte? Nun, die regierende LDP („Liberal Democratic Party“) von Premierminister Abe solidarisiert sich aus Tradition mit der Pro-Walfang-Lobby. Auf Seiten der Opposition dagegen übt die Gewerkschaft der japanischen Seeleute, in der sowohl Matrosen als auch Angestellte der japanischen Walfangfirma Kyodo Senpaku organisiert sind, starken Druck auf die Parteien aus. Die Partei der Grünen ist in Japans Parlament nicht vertreten.

Allerdings ist das neue Gesetz voller Unzulänglichkeiten und Widersprüche. Japans neue Walfang-Programme NEWREP-A und NEWREP-NP sind nach internationalen Richtlinien höchstwahrscheinlich illegal, da sie internationale Abkommen und ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs verletzen.

Aber NHK, ein öffentlicher Fernsehsender in Japan, berichtet, dass das nationale Walfanggesetz die neue Rechtsgrundlage für “wissenschaftlichen” Walfang darstellt.  Wie kann ein nationales Gesetz etwas legalisieren, das eine Verletzung internationalen Rechts darstellt? Meiner Meinung nach entbehren die Behauptungen des Parlaments jeglicher Grundlage.  

Außerdem schränkt es, genau wie das “Gesetz gegen Verschwörung”, die Freiheitsrechte weiter ein. Unter anderem erlaubt das „Lieblings-Sashimi Gesetz“ den Behörden, Ausländern die Einreise nach Japan zu verweigern, sollten diese als Anti-Walfang-Aktivisten eingestuft werden. Das Gesetz lässt viel Spielraum für willkürliches Handeln. Schon in der Vergangenheit  wurde friedlichen Aktivisten die Einreise verweigert. Wen werden die Behörden in Zukunft daran hindern, nach Japan zu kommen?

Des Weiteren hat Japan das UN Seerechtsübereinkommen (UNCLOS) ratifiziert und ein entsprechendes nationales Gesetz erlassen. Dieses legt bereits fest, dass marine Ressourcen nachhaltig genutzt werden sollen, so dass keine Notwendigkeit für ein weiteres, sich nur auf Wale beziehendes Gesetz besteht. Außerdem erwähnt das „Lieblings-Sashimi Gesetz“ weder internationale Kooperation noch Artenschutz, was das fehlende Interesse an internationaler Zusammenarbeit und Umweltschutz der Walfanglobby deutlich macht. 

Es gibt in Sachen Tier- und Umweltschutz in Japan noch viel zu tun, aber ein grundlegendes Tierschutzgesetz gibt es. Dieses Gesetz sieht vor, dass Tierversuche verbessert, reduziert oder ganz ersetzt werden sollen. Das neue Walfanggesetz bezieht sich aber hauptsächlich auf tödliche Methoden, die Möglichkeit, nicht-tödliche Methoden zu testen – wie es das Urteil des Internationalen Gerichtshofes verlangt – ist nicht vorgesehen. Damit widerspricht das Gesetz nicht nur internationalem, sondern auch japanischem Recht. Es lässt für die „wissenschaftliche Untersuchung“ von Walen tödliche Methoden zu, einzig und allein zum Zweck der Wiederaufnahme des kommerziellen Walfangs. Die Gesetzgeber behaupten gar, dass andere Methoden nicht wissenschaftlich seien. 

Angeblich soll das Gesetz auch die Sicherheit der Seeleute garantieren und sie vor Angriffen durch Tierschutzaktivisten schützen. Tatsächlich gab es im Rahmen der Forschungsjagden bereits Tote. Grund waren jedoch immer Unfälle wie Feuer oder technische Defekte. Etwa 60% der Unfälle auf See passieren in der Fischerei. Die jährlichen Walfangsubventionen wären in der Vorbeugung von derartigen Unfällen besser angelegt. Die Beamten der Fischereibehörde und die Parlamentsabgeordneten verdrehen die Fakten, wenn sie behaupten, das neue Walfanggesetz könne Leben schützen.

Auch das Angebot von Walfleisch in Schulkantinen soll im Walfanggesetz geregelt werden. Da viele Japaner kein Walfleisch mehr essen, bleibt ein großer Teil unverkauft. Mit dem neuen Gesetz muss „wissenschaftlicher Walfang“ nicht mehr profitabel sein, da nun regelmäßig Steuergelder in den Walfang investiert werden. Dazu werden zusätzlich öffentliche Mittel verwendet, um das Walfleisch aufzukaufen und in Schulen zu servieren. So werden Kinder gezwungen, das Walfleisch zu essen, um eine künstliche Nachfrage zu erzeugen. Im Gegensatz dazu wird das Geschäft der Produzenten von Sprossengemüse und Tofu, beides wichtige traditionelle Mahlzeiten, immer unrentabler. Die japanische Regierung unterstützt Kyodo Senpaku großzügig, ignoriert jedoch die Probleme von kleineren Unternehmen.

Insgesamt ist das „Lieblings-Sashimi Gesetz“ eine Absage an jegliche Bemühungen, eine nachhaltige Fischereiindustrie zu etablieren. 2017 betrug das Gesamtbudget der Fischereibehörde für Ressourcenmanagement und Forschung nur 4,6 Milliarden Yen. Demgegenüber steht ein Budget zur Förderung des Walfangs von 5,1 Milliarden Yen (fast 40 Millionen Euro). Dies, obwohl Walfleisch jährlich weniger als 0,02% der gesamten Produktion der Fischereiindustrie ausmacht. Die Hälfte der Fischgründe wird unter Aufsicht der Fischereibehörde überstrapaziert und durch Überfischung und illegale Fänge bedroht. Der Walfang wird benutzt, um Fischer und Konsumenten von diesem desolaten Zustand abzulenken. So oder so werden die Fischer Japans von der massiven Förderung des Walfangs negativ betroffen sein, etwa durch das gekürzte Budget – das neue Gesetz macht ihre Probleme nur noch größer.

Entscheidungen zu Gesetzesvorschlägen, die für die japanischen Bevölkerung sehr wichtig wären, wurden dagegen vertragt: Spielsuchtprävention, Förderung von Frauen in der Politik, Maßnahmen gegen die Gefahr des  Passiv-Rauchens. Ganz im Gegensatz zum „Lieblins-Sashimi Gesetz“. Ist der Walfang für Japan also wichtiger als diese drängenden sozialen Probleme? Ganz und gar nicht! Dies ist nicht die Meinung der Mehrheit in Japan, sondern der Politiker und insbesondere der Walfanglobby.

Viele Japaner glauben nicht, dass Walfang in der Antarktis für sie wichtig ist und betrachten die angebliche Wissenschaft mit Skepsis. Leider reicht dies bisher jedoch nicht, Einfluss auf die Wahlen zu nehmen. Walfanglobbyisten machen sich das Desinteresse der Bevölkerung geschickt zu Nutzen. Zumindest zwei Abgeordnete äußerten hinsichtlich des neuen Gesetzes Bedenken und gaben dadurch der Meinung vieler Japaner eine Stimme. Für die japanische Gesellschaft ist es schwer, dieses offenbar tiefgreifende Problem zu lösen. Die japanische Öffentlichkeit und der Rest der Welt dürfen den Behauptungen der Regierung, die Unterstützung des Walfangs sei zum Besten Japans und hätte breiten Rückhalt in der Bevölkerung, keinen Glauben schenken.

Über Astrid Fuchs

Astrid Fuchs leitet bei WDC Deutschland den Bereich Policy und strategische Entwicklung. Daneben koordiniert sie die EU-Arbeit und betreut die Bereiche Walfang und Delfinarien.