Die Zukunft des Walschutzes
Ist es Zeit, unsere Aktivitäten rund um den Walschutz neu auszurichten?
Ein kürzlich in der Zeitschrift Oceanography veröffentlichter Artikel von Dr. Phillip Clapham trägt den Titel „Managing Leviathan: Herausforderungen an den Schutz großer Wale in einer Welt nach dem Walfang“. In dem Artikel begutachtet Dr. Clapham die Geschichte des modernen (also des industriellen, kommerziellen) Walfangs und die Tötung von fast 3.000.000 Walen allein im 20. Jahrhundert, wobei einige Populationen um 99 % ihres vorherigen Bestandes reduziert wurden. Im Vergleich bedeutet das, die aktuelle US-Bevölkerung würde auf die Bewohneranzahl der Stadt Los Angeles reduziert.
Clapham beschreibt ausführlich, was er die „Ära des Überflusses“ nennt. Er redet nicht nur über das Ausmaß der legalen Jagd, sondern auch über die Auswirkung der illegalen nicht öffentlichen Walfänge, die v.a. in der ehemaligen UDSSR zu verheerenden Einbrüchen von Walbeständen führten. In einem Beispiel stellt er fest, dass sowjetische Walfänger angaben, 2710 Buckelwale getötet zu haben – doch es wurden mehr als 48.000 getötet. Davon wurden 25.000 in nur zwei Walfang Saisons getötet. Er verweist auf Daten, in denen er und seine Kollegen elf Populationen von Bartenwalen identifiziert haben, die vom Walfang an den Rand des Aussterbens getrieben wurden. Das muss nicht heißen, dass diese Arten nicht überleben, aber wie die Menschen haben auch Wale ihre unersetzlichen historischen Kulturgesellschaften, von denen einige jetzt für immer verloren sind.
Während Clapham feststellt, dass sich einige Walbestände erholen, gibt er auch einen Überblick über die aktuellen Bedrohungen. Dazu gehören v.a. Beifang, Schiffskollisionen, Lärm und Umweltverschmutzung. Allerdings bringt er auch die große Unbekannte beim Thema Walrettung ins Spiel – den Klimawandel. Er stellt fest, dass einige Walarten in der Lage sein könnten, sich an expandierende neue Lebensräume anzupassen, während andere mit schwindender Nahrung, Gletscherschwund und die Versauerung der Ozeane zu kämpfen haben werden.
Das letzte Kapitel mag das Entscheidendste sein, denn darin lobt er die aktuelle Forschungsarbeit von Joe Roman, James McCarthy, Trish Lavery, Lavenia Ratnarajah, Andrew Pershing und deren Kollegen. Darin wird auf die bedeutende Rolle von Walen im marinen Ökosystem hingewiesen, und damit zu deren Beitrag zur Gesundheit unseres Planeten. Die Daten zeigen, dass Wale Eisen, Stickstoff und andere Nährstoffe für das Phytoplankton zur Verfügung stellen. Dies sind die Primärproduzenten, die an der Meeresoberfläche den Großteil der Luft, die wir atmen, photosynthetisieren. Sie sind Nahrungsquelle für das Zooplankton, welches als Nahrung für Fische, Krill und andere Meerestiere dient. Diese werden wiederum von anderen Tieren gefressen, einschließlich der kommerziell gefangenen Fischarten, nach denen weltweit eine große Nachfrage besteht. Die Daten zeigen auch, dass Wale Kohlenstoff binden und somit helfen, die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen.
Nach Angaben der Vereinten Nationen betrifft der Klimawandel mittlerweile jedes Land und jeden Kontinent, die Weltwirtschaft und damit das Leben jedes Einzelnen. Von Bauern, deren Ernten unter Dürre leiden, über die globale Fischerei, die „die Existenz von 10-12% der Weltbevölkerung sichert“, bis zur Trinkwasserverfügbarkeit – die Auswirkungen des Klimawandels betreffen uns alle.
Abschließend erklärt Clapham, dass er wie WDC glaube, dass „die fortgesetzte Rettung der großen Wale der Welt nicht nur ein richtiges und sinnvolles Ziel ist, sondern zum Großteil auch in unserem eigenen Interesse ist.“ Das heißt, dass WDCs Vision einer Welt, in der alle Wale und Delfine in Sicherheit und Freiheit leben, keine noble Geste sondern ein notwendiges Ziel für einen gesunden Planeten ist, auf dem Mensch und Tier überleben und gedeihen können.
Das Fazit lautet: Wir brauchen Wale. Wir sollten keine Obergrenzen setzen, ab denen wir sie nicht mehr als schutzbedürftig betrachten – ihre Zukunft zu schützen, schützt auch unsere eigene. Wir müssen nicht mehr nur über das Management der Wale sprechen, sondern wie wir sie bestmöglich schützen können. Es gibt keine Schwellenwerte für Walverlust, die wir als nachhaltig in Betracht ziehen sollten. Ob durch Walfang, Schiffskollision, Beifang oder Lebendfang – Wale als wichtigen Teil des Ökosystems zu entfernen, ist letztlich ein Verlust für uns selbst und das muss aufhören.
Natürlich ist der Erhalt der großen Walpopulationen nicht genug, um ein gesundes globales Ökosystem und eine ebensolche Wirtschaft zu schaffen und zu erhalten. Aber die Tatsache, dass sie einen bedeutenden ökologischen Wert haben, sollte nicht außer Acht gelassen werden. Ebenso wenig wie die Rolle von WDC und anderen Organisationen und Personen, deren Arbeit zu sinnvollem Artenschutz führt. Wir sind nicht so naiv zu glauben, dass alle Welt plötzlich Wale und Delfine in dem Ausmaß zu schätzen weiß, wie wir es tun. Tatsächlich ist es ein Unterschied, Wale zu mögen oder sie als lebensnotwendig zu betrachten, aber wir sollten uns alle einig sein, dass wir eine Welt brauchen, in der jeder Wal und Delfin sicher und frei ist.