Plastikmüll – vorsorgen statt aufräumen!
Dieser Gastbeitrag für unsere Kampagne Weniger Plastik ist Meer stammt von Stefanie Werner, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Umweltbundesamt. Sie ist dort verwantwortlich für die Themenbereiche Meeresmüll und Unterwasserschall.
Der Anblick von funkelndem Meeresblau und strahlend weißen Stränden, dabei immer eine steife Brise salziger Luft in der Nase, das sind für viele Menschen die idealen Ferien. Die ungeschönte Realität an Küstenabschnitten ohne allmorgendliche Strandreinigung sieht allerdings anders aus. Insgesamt bestehen dreiviertel der Funde von Meeresmüll an europäischen Stränden aus Kunststoffen, deren Abbau bis zu Jahrhunderte benötigt. Im Gebiet der südlichen Nordsee finden sich an den Stränden im Schnitt 236 Müllteile pro hundert Meter Küstenlinie und elf Kilogramm Kunststoffe pro Quadratkilometer Meeresboden. Erste Untersuchungen im Zuge eines Forschungsprojektes des Umweltbundesamt zeigen, dass circa 98 Prozent der Nester der einzigen deutschen Basstölpelkolonie auf Helgoland Plastikteile und hierbei insbesondere Netzreste enthalten, in denen sich die Tiere oft zu Tode strangulieren.
Im Januar 2016 strandeten 30 Pottwale an Stränden der Nordsee. Wissenschaftler fanden bei mehreren Tieren große Mengen Plastikmüll im Magen. Zwar machten die Tiere einen gesunden Eindruck, doch wären sie nicht gestrandet, hätte diese Befunde mit hoher Wahrscheinlichkeit Folgen für Ihr Wohlergehen gehabt. Ein 2012 an der südspanischen Mittelmeerküste gestrandetes Tier war indes bereits so stark abgemagert, dass es wahrscheinlich verhungert ist. Sein Magen enthielt fast 18 Kilogramm Kunststoff-Utensilien, darunter 30 Quadratmeter Abdeckplanen aus den Gewächshaus-Plantagen um Almeria, wo massenhaft Obst und Gemüse für den europäischen Markt kultiviert werden. Auswertungen der Funde an Nord- und Ostsee legen nahe, dass hier maritime Aktivitäten wie die Fischerei und in der Nordsee auch die Schifffahrt im Verbund mit Freizeit- und Tourismusaktivitäten an den Küsten und Flüssen die Haupteintragsquellen sind.
Das Problem Meeresmüll ist in erster Linie unseren Produktions- und Konsummustern geschuldet. Ressourceneffizienz und Aufklärung der Produzenten und Verbraucher sowie die Entwicklung von Alternativprodukten haben deshalb im Mittelpunkt der Bemühungen zu stehen. Die Kunststoffherstellung muss durch „smartes“ Produktdesign deutlich nachhaltiger werden. Obwohl es nur relativ wenige Basiskunststoffe (Polymere) gibt, erschwert die Vielzahl der in der Herstellung verwendeten Zusatzstoffe ein ökoeffektives Recycling: Der Kunststoff landet damit entweder im Müll und ist Abfall statt Rohstoff oder kann nicht mehr hochwertig wiederverwendet werden, wird also „down“ statt „re“-cycelt.
Beim Design von Produkten sollte weiterhin eine maximale Beständigkeit und damit Nutzungsdauer im Vordergrund stehen. Geplante Obsoleszenz gilt es grundsätzlich zu unterbinden und Einwegnutzungen wo immer möglich zu vermeiden. Mit Blick auf die seeseitigen Einträge von Müll in die Meere kann eine vollständige Integration der Abfallgebühren in die Hafengebühren illegale Entsorgung auf hoher See vorbeugen, so wie es durch das sogenannte „No-special-fee-System“ bereits in vielen Häfen der Ostsee umgesetzt wird. Die Wiederverwertung von Fischereigeräten sollte ökonomisch und organisatorisch gefördert werden, elektronische Markierung ist erforderlich, um verloren gegangene Netze auf See besser orten und bergen zu können.
Insgesamt lässt sich sagen, dass das nachsorgende Sammeln von Abfällen im Meer und am Strand aufwendig und kostspielig ist und nur einen kleinen Teil des Mülls erfasst. Abfälle im Mikrobereich können aus dem Meerwasser nicht entfernt werden können, ohne Beifänge von Meereslebewesen zu riskieren. Es bedarf daher einer deutlichen Verstärkung der Vorsorge. Dazu gehört auch die Verankerung des Themas Meeresmüll in schulischen und beruflichen Lehrplänen, denn am Ende obliegt es jedem Einzelnen, durch bewusste Entscheidungen aktiv zu werden. Und das gelingt nur mit der entsprechenden Wissensbasis.