Von der Schönheit des Plastikvermeidens
Dieser Gastbeitrag für unsere Kampagne Weniger Plastik ist Meer stammt von Susan Rößner, der Betreiberin des plastikfreien Onlineshops Monomeer.
Ich lebe seit etwas mehr als zwei Jahren plastikfrei. Plastikfrei, das heißt nicht, dass es in meiner Welt, in meinem Zuhause und in meinem Alltag kein Plastik mehr gäbe. Plastik ist schließlich überall. Ich besitze noch meine alten Tupperdosen, meine Mutter schenkt mir mehrstöckige Pralinenschachteln, und manchmal hole ich mir sogar selbst neues Plastik ins Haus. Wenn ich mir Kontaktlinsen kaufe etwa, oder Wimperntusche. Ich bin auch nur ein Mensch.
Dafür vermeide ich Plastik an anderen Stellen, wo es nur geht. Mein Wertstoffmüll beschränkt sich auf einen gelben Sack im Jahr. Und es geht mir damit so gut wie nie zuvor.
Viele mögen denken, dass Plastikvermeiden Verzicht bedeutet, und können sich nicht vorstellen, ohne dieses oder jenes Produkt auszukommen. Wovor sie sich fürchten, ist jedoch nicht nur der Verzicht auf Gummibärchen, Fertigpizza und das schöne neue Duschgel. Wovor sie sich eigentlich fürchten, ist der Verzicht auf Konsum.
Wir sind es gewohnt, uns ohne langes Überlegen alles kaufen zu können. Was wir uns wünschen, ist in der Regel sofort verfügbar, ob im Kaufhaus oder online. Geht nicht, gibt’s nicht – die Welt steht uns zur Verfügung. Das ist Konsum: Die unmittelbare und omnipräsente Verfügbarkeit von Waren. Das schnelle Glück. Und Kaufen um des Kaufens willen. Konsum hat nicht mehr viel mit echtem Bedarf zu tun, wohl aber eine Menge mit Bedürfnissen.
Plastik zu vermeiden ist das Gegenteil davon: Statt einfach zuzugreifen, muss man überlegen, ob ein Produkt Plastik beinhaltet oder nicht. Angesichts der Verpackungsverliebtheit unserer Konsumwelt bedeutet dies, Einkaufsgewohnheiten komplett zu überdenken. Einkaufen bedeutet plötzlich nicht mehr, nach Lust und Laune Produkte in den Korb zu legen. Wer auf Plastikmüll achtet, ist gezwungen, die Warenwelt mit neuen Augen zu betrachten. Bewusstem Einkaufen fehlt die Leichtigkeit des Konsums.
Das ist jedoch nur am Anfang eines plastikarmen Lebens so. Der Umstieg ist schwierig, ja. Obwohl längst erwachsen, müssen wir noch einmal ganz neu lernen, einzukaufen. Und stellen dabei fest, dass in unserer Welt des Überflusses manche Dinge gar nicht so einfach zu bekommen sind – Dinge ohne Plastik zum Beispiel. Das ist anstrengend.
Haben wir uns aber einmal zurechtgefunden, und wissen wir, was wir wo kaufen können, dann ist ein plastikarmes Leben enorm befriedigend. Stand ich früher halbstundenweise vorm Drogerieregal, um mich für eine Creme zu entscheiden, so ist dieser Zeitfresser heute komplett weggefallen. Es gibt dort für mich einfach nichts mehr zu kaufen. Der Einkauf im Supermarkt ist im Gegensatz zu früher nur noch eine Sache von Minuten; die meisten meiner Lebensmittel finde ich auf dem Wochenmarkt. Ich verbringe viel weniger Zeit damit, Produkte auszuwählen, da ich genau weiß, welche Sachen für mich in Frage kommen – und welche nicht. In einer Zeit, in der wir ohnehin schon so viele Entscheidungen treffen müssen, ist das extrem erleichternd.
Die Zeit, die ich früher für Konsum aufgewendet habe, kann ich heute für andere Sachen verwenden: Fernsehen zum Beispiel! Während ich vor meiner plastikfreien Zeit Nagellack nicht nur mühsam im Laden auswählen, sondern dann auch auftragen, ausbessern, abschminken und je nach Sandalenfarbe austauschen musste, benutze ich heute einfach keinen mehr. Ich brauche keinen Nagellackentferner, keine Wattepads, und vor allem brauche ich für sowas keine Zeit. Das Beste: Ich vermisse gar nix. Meine Zehen sind ohne Lack komischerweise genauso schön wie mit.
Dies hat natürlich viel mit Minimalismus zu tun. Als plastikfrei lebender Mensch wird man das irgendwie automatisch: Minimalist. Und wer minimalistisch lebt, muss sich um vieles einfach nicht mehr kümmern. Weil es nicht mehr da ist. Weder in unseren Regalen, noch in unseren Gedanken – und übrigens auch nicht als Müll. Eine prima Win-Win-Situation für Mensch und Umwelt. Kauft man als plastikbewusst lebender Mensch weniger? Ja. Ist das ein Verzicht? Nein. Man gewinnt dafür eine ganze Menge: Klarheit und Zeit. Wie wärs?