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Wie zerlegt man einen Pottwal?

Anja Reckendorf ist Tierärztin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover in Büsum. Sie war Teil des Expertenteams, das sich in Deutschland um die gestrandeten Pottwale gekümmert hat, und erklärt in diesem Blog wie so eine Sektion vonstattengeht. 

Das ist eine gute Frage, denn wirklich gelernt hat das in der Universität eigentlich keiner so richtig. Also heißt es, sich auf seine Erfahrung an kleineren Tieren zu stützen und auf Kollegen, die schon einmal Großwale seziert haben.

Leider sind die Zähne der Pottwale, die aus Elfenbein bestehen, für manche Leute wertvolle Trophäen. Doch es ist wichtig zu wissen, dass die Tiere durch verschiedene nationale und internationale Gesetze streng geschützt sind. Es ist strafbar und unmoralisch sich an den toten Tieren – in welcher Art und Weise auch immer – zu bereichern.

Bei zwei von drei gestrandeten Tieren, die wir untersuchen durften, mussten wir feststellen, dass ca. die Hälfte der Zähne aus dem Unterkiefer abgesägt wurden. Das wird auch das spätere Ausstellen des unversehrten Skelettes in einem Museum beeinträchtigen, da diese Zähne fehlen werden oder künstlich nachgebaut werden müssen.

Nur vom jeweiligen Land bestellte Experten haben die Erlaubnis, die Tiere zu untersuchen und sich um die Obduktion und Zerlegung der Kadaver kümmern. Dazu gehören im Fall der Pottwale der Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz des Landes Schleswig-Holstein (LKN) und das Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover – wo ich arbeite.

Die erfahrenen Mitarbeiter des LKN haben schweres Gerät mitgebracht, um beim Zerlegen und der Entsorgung zu helfen. Da sich die Tiere bereits in einem fortgeschrittenen Verwesungsstadium befanden, waren sie voller Gas  und es bestand Explosionsgefahr bei der Öffnung der Kadaver. Um dem Vorzubeugen wurde zuerst ein „Entlüftungsrohr“ eingesetzt, über das die schlimmste Gasansammlung entweichen konnte, so dass die Experten sicher an die Arbeit gehen konnten.

Dann wurden die Kadaver vollständig äußerlich begutachtet, Maße genommen, Hautwunden sowie etwaige Auffälligkeiten notiert und aus Dokumentationsgründen fotografiert. Anschließend wurde die Fettschicht der Wale entfernt, damit die inneren Organe entnommen und untersucht werden konnten. Zum Beispiel wurde der Darm der Pottwale auf Parasiten untersucht und der Mageninhalt begutachtet. Bei den gestrandeten Pottwalen war dieses spezifische Vorgehen auf Grund der Größe der einzelnen Organe oder ihres Verwesungszustandes schwierig.

Die Tiere waren bereits im Laufe des Sonntags oder in der Nacht auf den Montag gestrandet, jedoch machten die Wetterbedingungen es unmöglich, die Tiere vor Donnerstag Vormittag zu bergen, so dass einige bereits etwa vier Tage tot waren, bevor wir mit der Sektion beginnen konnten.

Dass die Tiere teilweise Fischernetzte und Müll in ihren Mägen hatten ist natürlich sehr interessant für uns. Hoffentlich lässt die Analyse der gefundenen Objekte Rückschlüsse darauf ziehen, wo die Teile aufgenommen wurden, jedoch handelt es sich bei den Meeresmüllfunden wahrscheinlich nicht um die alleinige Strandungs-oder Todesursache der Tiere. Trotzdem sind diese Funde ein eindeutiger Hinweis dass jeder einzelne von uns mehr auf Umwelt- und Meeresverschmutzung achten und sie bekämpfen muss.

Einige Skelette der Wale wurden gesondert aufbewahrt und werden nun sorgfältig präpariert, so dass sie in den entsprechenden Museen ausgestellt werden können. Die fleischlichen Überreste der Tiere wurden vorschriftsmäßig in einer dafür ausgelegten Tierkörperbeseitigungsanstalt entsorgt.

Hin und wieder bekommen wir auch die Frage gestellt, ob es nicht günstiger und für das Ökosystem besser wäre, wenn man die Überreste im Meer versenkt – so dass sie der marinen Nahrungskette zugeführt werden. Es ist einerseits logistisch eine riesige Herausforderung, die Überreste von insgesamt 16 Walen aufs Meer zu befördern, andererseits ist nicht gesagt, dass alle Teile sinken. Die größeren Teile, die nicht sinken, stellen ein Risiko für die ansässige Fischerei und den Schiffsverkehr da. Außerdem sind Wale, die sehr alt werden und am oberen Ende der Nahrungskette stehen oft stark schadstoffbelastet. Mit einer Entsorgung an Land nimmt man also eine hohe Schadstoffbelastung aus dem Meer.

Einen Pottwal zu zerlegen, alle Organe möglichst unversehrt herauszulösen, genau anzugucken und zu beurteilen ist ein immenser körperlicher Kraftakt, für den man aber auch mental gemacht sein muss. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und eiskalten Sturmböen ist dies eine noch größere Herausforderung für alle Beteiligten, jedoch sind wir uns alle im Klaren darüber, welch wichtige Aufgabe uns zukommt. Über die gesamten Arbeitstage beider Sektionen (wir haben jeweils ein komplettes Wochenende durchgearbeitet und insgesamt acht Tage lang seziert) konnte unser Team eine positive Grundstimmung aufrechterhalten, die für derartig fordernde Arbeit von höchster Bedeutung ist. Schließlich sind wir die letzten, die noch herausfinden können, was mit diesen majestätischen Riesen der Meere geschehen ist.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich bei diesem außergewöhnlichen Ereignis dabei sein konnte, so viel von diesen wundervollen Kreaturen lernen und ihnen mit großem Respekt den letzten Dienst erweisen durfte, um eine Antwort auf die Frage nach dem „Warum?“ zu finden…

Anja Reckendorf ist Veterinärmedizinerin und Mitarbeiterin bei WDC. Hier finden Sie ein ausführliches Video-Interview zu den Strandungen:

Über Ruth Schloegl

Leiterin Bildung - Als Bildungsreferentin kämpft Ruth Schlögl gemeinsam mit den jüngsten Umweltschützer*innen für den Schutz von Walen und Delfinen.