Whale watching in Norwegen: mein Besuch bei den Orcas
Meine erste Erfahrung mit Whale Watching in Norwegen habe ich vor fast 20 Jahren gemacht, als ich einen Ausflug nach Tysfjorden machte. Hier, weit über die Polargrenze hinaus, kann man ein Phänomen beobachten: hier jagen im Winter große Gruppen von Orcas Hering in den tiefen Gewässern des Fjordes.
Das Eintreffen der Orcas in den Fjord-Flussläufen wurde zum ersten Mal in den späten 80er Jahren beobachtet und seitdem kommen sie regelmäßig im Winter her. Das Interesse der Öffentlichkeit, diese wunderschönen Wesen in ihrer natürlichen Umgebung vor den schneebedeckten Bergen zu sehen, war so groß, dass sich schnell eine komplette Tourismusindustrie aufbaute. Es folgte ein Boom an Restaurants, Hotels und Bootsführern, die die steigenden Zahlen der Walbegeisterten aus aller Welt versorgten. Wenn man es vonseiten des Naturschutzes und des lokalen Bewusstseins betrachtet, war es eine ermutigende Zeit in der so viel Interesse an der wilden Tierwelt bestand, denn Norwegen war noch immer eine große Walfangnation.
Vor ein paar Jahren dann kam der Hering nicht mehr nach Tysfjord. In Folge fielen die Chancen, Orcas zu sehen von 90% auf nur noch 10% und die Besucherzahlen gingen zurück. Tatsächlich blieb der Hering nicht ganz weg, sonderte wanderte zu einer neuen, nahgelegenen Überwinterungsstätte in einem weniger gesicherten Wasserlauf. Doch hierher konnten die Touristenboote in den dunklen, kurzen Tagen des arktischen Winters nicht kommen.
Das war es dann – dachten wir. Im Jahr 2013 erreichten uns jedoch Berichte über Sichtungen von Orcas, die im frühen Winter in den Flussläufen um Tromso auftauchten und dann im Januar und Anfang Februar weiter Richtung Küste vor der Insel Senja und Andfjorden wanderten. Dieses Mal wurden die Orcas oft in Gesellschaft von Buckelwalen und Finnwalen gesehen.
Jetzt im späten November 2015 befinde ich mich zusammen mit meiner Kollegin Anja an Bord des schönen Segelbootes Noorderlicht und wir segeln in die Polarnacht auf unserer Suche nach den Orcas.
Als wir durch die Meerenge Andfjorden fahren, stößt Sonja – eine der Mitreisenden – einen Schrei aus, denn die hohe Rückenfinne eines männlichen Orcas durchbricht die Wellen nur etwa 50m auf der Steuerbordseite. Auf dem Weg zu unserem Hafen erhasche ich eine weitere Finne, doch diese Orcagruppe scheint ein Ziel ins Auge gefasst zu haben und sie schwimmen schnell und sind bald außer Sicht.
In unserem Hafen Gryllefjord erzählen ein paar der lokalen Fischer, dass ein Fjordsystem nördlich von uns ‚voll mit Walen ist‘. Also setzen wir neue Segel und machen uns auf den Weg nach Kaldfjorden nahe der kleinen Insel Vengsoya.
Auf diesem Breitengrad wird es im Winter nicht vor 10 Uhr morgens hell und gegen 14 Uhr ist es bereits wieder dunkel. Gegen Ende November scheint die Sonne ein letztes Mal und wird erst im nächsten Jahr Mitte Januar wieder sichtbar sein.
Wir hatten also hohe Erwartungen als wir nach Kaldfjorden segelten und gleichzeitig waren wir angespannt, denn wir hatten nur noch wenige Stunden mit ‚gutem‘ Licht. Doch das war unnötig, denn in den nächsten vier Stunden hatten wir unfassbare Begegnungen mit mehr als 40 Orcas und über 20 Buckelwalen an der Flussmündung. Wir mussten den Walen nicht einmal folgen, weil sie in dem gleichen Gebiet blieben, in dem sich viele Heringe tummelten.
Der nächste Morgen, als der Tag hell und klar anbrach, versprach noch besser zu werden. Wir fanden die Orcas am gleichen Platz wie tags zuvor, nur dass dieses Mal auch einige Hering-Fischerboote im Fjord waren. Diese stellten sich als Wal-Magnet heraus, denn die Orcas sammeln die Heringe auf, die aus den Netzen entwischen. Das hatte ich bereits zuvor beobachtet, doch was mich wirklich überraschte war, dass die Buckelwale das gleiche taten.
Als wir zwischen den Walen umher trieben, versuchte unsere fröhliche Gruppe von Walbeobachtern die Wale zu zählen und unsere besten Schätzungen liegen bei über 100 Orcas und mehr als 60 Buckelwalen. Wir sahen ein paar sehr charakteristische und einfach zu unterscheidende Wale, insbesondere einen männlichen Orca mit einer hängenden Rückenfinne und einen Orca mit einem Haken oben an der Finne. Alle Fotos, die ich gemacht habe, werden zu Identifizierungszwecken an lokale Walforscher weitergegeben. Sie können damit hoffentlich herausfinden, wie viele Wale den Fjord nutzen und wie ihre Gruppenstrukturen aussehen.
Ich denke viel über unser Erlebnis in der letzten Woche nach als wir die Insel Senja weiter umsegeln auf dem Weg zu unserem Hafen. Wir wissen wie viel Glück wir hatten, dass unser Skipper der Noorderlicht so respektvoll mit den Walen umgegangen ist. Von uns aus weit im Norden liegt das Svalbard-Archipel, das berühmt für seine Eisbären, Walrosse und viele andere wilde Tierarten ist. Die Region wird von Norwegen unter Beachtung von Sysselmann verwaltet und schreibt einige der strengsten Umweltschutzbestimmungen der Welt vor. Alle Besucher der Region müssen sie befolgen. Doch hier auf dem Festland Norwegens gibt es leider keine Vorschriften, die Walbeobachtungsboote regulieren. Obwohl es einige exzellente Betreiber gibt, verhalten sich andere auf dem Wasser nicht sehr verantwortungsvoll. Ohne formelle Regelungen und Verhaltensgrundsätze sowie deren Durchsetzung von Seiten der Regierung sind lokale, unabhängige Umweltschutzgruppen in der Pflicht. Sie müssen versuchen sicherzustellen, dass die Touristen verantwortungsvolle Entscheidungen treffen – keine eigennützigen.
Manche der Walbeobachtungsunternehmen fahren mit den Touristen nicht nur zu den Walen raus, sondern bieten ihnen (gegen Extra-Bezahlung) die Möglichkeit, mit Orcas zu schwimmen – auch ohne ausreichende Vorkenntnisse. Das ist extrem strapaziös und physisch anstrengend, denn die Schnorchler fahren in offenen Booten dorthin, wo die Wetterbedingungen extrem sein können. Wir haben schon miterlebt, wie Touristen vor einer Gruppe Orcas in das eiskalte Wasser des arktischen Norwegens gesprungen sind – in der Hoffnung einen flüchtigen Blick auf die Wale zu erhaschen, die schnell vorbei schwimmen. Für manche Menschen mag das ein aufregendes Abenteuer sein, was die Wale darüber denken… wir wissen es nicht.
Es spricht alles dafür, dass es im Norden Norwegens ein neues Tysfjord gibt, also lassen Sie uns hoffen, dass alle daran teilnehmenden Menschen diese schlauen, starken und majestätischen Wesen mit dem Respekt behandeln, den sie verdienen.