Tagebuch aus Taiji: Bitteres Ende nach langem Kampf
WDC Gast-Blogger Hans-Peter Roth ist ein Schweizer Journalist, der sich seit vielen Jahren intensiv für Delfine und Wale einsetzt. Momentan ist Hans-Peter vor Ort in Taiji, Schauplatz der berüchtigten Delfintreibjagden, um von der Situation vor Ort zu berichten. Begleitet wird Hans-Peter von Marna Olsen, einer färöischen Delfin- und Tierschützerin, die sich für ein Ende der Delfintreibjagden sowohl in Japan, als auch ihrer Heimat, den Färöer Inseln, engagiert.
Bitteres Ende nach langem Kampf
Wenn ich mehrmals hintereinander „Blaue Bucht-Tage“ erlebt habe, also Tage, an denen die Delfinjäger ohne Beute zurückkehren, dann erwacht immer diese irrationale Herzens-Hoffnung, dass es nur noch Blaue Tage geben wird. Nie wieder eine Treibjagd. Heute ist wieder einer dieser Tage, an dem diese Hoffnung enttäuscht worden ist. Die schlechte Nachricht kam um 8:40 Uhr, einer Zeit, zu der sich die zwölf Jagdboote oft schon auf den Rückweg machen. Heute aber formierten sich die Boote. Sie hatten Delfine gefunden und trieben diese nun langsam aber stetig mit ihren Hämmerstangen, mit denen sie Unterwasserlärm erzeugen, um die geräuschempfindlichen Meeressäuger vor sich herzutreiben, auf die Küste zu.
Die Treibjagd dauerte „ewig“. Geschlagene fünf Stunden, bis die Jäger die Delfine endlich in die Bucht getrieben hatten. Ein Horror zum Zuschauen; und natürlich der noch viel schlimmere Horror für die gehetzten Tiere selber. Fünf Stunden für eine kleine Schule von ca. zwölf Rundkopfdelfinen mit etlichen Müttern und teils noch sehr kleinen Kälbern. Die Grausamkeit schon nur der Treibjagd allein, mit dem Höllenlärm der Hämmerstangen unter Wasser, die totale Erschöpfung – es ist kaum vorstellbar. Noch nie habe ich eine Schule von Rundkopfdelfinen gesehen, die so lange um ihr Überleben kämpfte. Selbst eingekesselt hinter den Netzreihen in der Todesbucht, versuchten sie noch zu entkommen und wollten die Mütter ihre Babys beschützen.
Immer wieder verhedderten sich Delfine in den Netzen oder schwammen in blinder Panik gegen die Felsen, bis sie – Tier um Tier – durch Männer in Neoprenanzügen ein Seil um die Fluke gelegt, an den Strand unter Abdeckblachen der Todesbucht gezerrt und getötet wurden. Auch das Tötungsprozedere ist bestialisch – ich konnte es vor einigen Jahren selber filmen. Doch davon ein andermal. Kurz nach 14:00 Uhr war dann alles vorüber. Benommen standen wir da, als hätten wir eben einen schrecklichen Spuk erlebt. Als wir auf dem Weg zum Auto am zugänglichen Teil der Bucht vorbeikamen, sahen wir nahe am Strand eine Meeresschildkröte im Wasser treiben. Die Betrübnis von Marna und mir hellte sich leicht auf. Als wir näher herangingen, stellten wir aber erschrocken fest, dass da ein Kadaver trieb.
Erschüttert und erschöpft machten wir uns auf den Weg zurück ins Hotel im Nachbarort. Die Bucht und das Meer draussen zu beobachten, mit Erleichterung zu sehen, wie die Jagdboote unverrichteter in den Hafen fahren, das können schöne Tage sein. Marna und ich waren nach unserer Ankunft hier in Japan durch vier „Blaue Tage“ verwöhnt. Die „Prüfung“ kommt aber mit den „Roten Tagen“, wenn Blut fliesst – heute zum siebten Mal in dieser Jagdsaison, die am 1. September begann. Diese „Roten Tage“ bringen immer Unerwartetes, Erschreckendes. Doch als Team haben wir „funktioniert“. Marna von den Färöer Inseln ist heute Zeugin „ihrer ersten Treibjagd“ in Japan geworden. Und das war sehr schwer erträglich für sie. Aber sie hat entschlossen durchgehalten. Danke, dass Du so tapfer bist, Marna.