Ein Schnabelwal in der Ostsee…
Ende letzter Woche wurde in den deutschen Ostseegewässern (in der Wohlenberger Wiek nahe Wismar) ein Sowerby-Zweizahnwal gesichtet. Das ist eine kleine zoologische Sensation, denn diese Tiere sind normalerweise reine Hochseebewohner, die tiefes Wasser bevorzugen, wo sie ihre Hauptnahrung Kalmare finden. Warum sich dieses Tier in die flache Nordsee und schließlich bis in die Ostsee verirrte, bleibt unklar. Da es sich um ein Jungtier handelt, muss man vermuten dass es entweder aus Unerfahrenheit oder aber einfach deswegen hier landete, weil seine Mutter starb oder sonst wie verloren ging.
Natürlich wollen jetzt viele Menschen diesen außergewöhnlichen Wal sehen, aber unsere Liebe wird nur allzu schnell zur Störung, besonders wenn sich Boote unkontrolliert nähern und für Lärm unter Wasser und damit Stress für den Wal sorgen. Insofern die Bitte an alle Meeresbesucher: halten Sie gebührenden Abstand (mindestens 100m) bzw. versuchen sie lieber, den Wal von Land aus zu erspähen.
Offenbar fing der Wal hin- und wieder Fische, verschmähte hingegen die gut gemeinten Fütterungsversuche mit toten Kalmaren. Auch der Versuch, das Tier mit seinen eigenen, zuvor per Unterwassermikrofon aufgenommenen Lauten, aus dem flachen Wasser herauszulocken, schlug fehl. Das Problem ist, dass kaum je ein Mensch Erfahrungen mit diesen sonst so scheuen Tieren machen konnte – noch dazu in einer solchen Notlage. Denn in Not ist dieser Wal mit Sicherheit: er ist fern seines eigentlichen Habitats auf sich alleine gestellt, ihm fehlt passende Nahrung und möglicherwiese ist er auch krank, geschwächt oder durch den Lärm um ihn herum desorientiert. Darüber sollten seine regelmäßig beobachteten Sprünge und seine „Freundlichkeit“ gegenüber Booten (Sowerby-Schnabelwale sind normalerweise extrem scheu) ebenso hinwegtäuschen wie das scheinbare Lächeln, das er im Gesicht trägt. Dieses „Lächeln“ wird auch noch da sein, sollte der Wal irgendwann tot am Strand liegen.
Was ist also zu tun? Ich denke, den größten Gefallen wird man diesem Wal tun, indem man ihn so weit wie möglich in Ruhe lässt. Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als hier das Schicksal walten zu lassen und das Beste zu hoffen.
Ich habe meinen Kollegen vom Meeresmuseum Stralsund meine Unterstützung angeboten, falls es weitere Aktionen rund um den Wal geben sollte bzw. wenn Expertise benötigt wird. WDC sorgt sich um diesen Wal, so wie wir uns um jeden einzelnen Wal und Delfin sorgen. Der Schnabelwal der Ostsee sollte uns mahnen und dazu anhalten, dem Meer und seinen Bewohnern den größtmöglichen Respekt zu zollen.
Copyright Photo: Meeresmuseum Stralsund