Nachwuchs im Zoo: eine gute Nachricht…?
Aktuell häufen sich die Meldungen von Nachwuchs in Delfinarien: Erst kürzlich wurde ein Delfinbaby im Tiergarten Nürnberg geboren, nun gab der Duisburger Zoo vor einigen Tagen bekannt, dass Delfin Pepina erneut schwanger ist.
Auch in den USA berichtet SeaWorld von einem Zuchterfolg: Die zehnjährige Orcadame Kalia, die übrigens mit gerade einmal zehn Jahren für einen Orca in verhältnismäßig jungem Alter geschwängert wurde (in freier Wildbahn beginnen Orcaweibchen sich mit ca. 12 bis 14 Jahren fortzupflanzen), brachte ebenfalls vor wenigen Tagen ein Baby im SeaWorld-Park San Diego zur Welt.
Ganz abgesehen davon, dass einige wenige „Positivbeispiele“ noch lange kein Beweis dafür sind, dass die Zucht in Gefangenschaft funktioniert, passt die gesamte Diskussion um Zuchterfolge als Kriterium einer „guten Delfinhaltung“ absolut nicht mehr in unsere heutige Zeit. Die entscheidende Frage ist die nach der Lebensqualität der Delfine, welche in den Zoos und Delfinarien leben müssen.
Nur weil ein Tier in Gefangenschaft Junge zur Welt bringt, bedeutet das nicht, dass es dort ein erfülltes und glückliches Leben führt. Es gibt zahlreiche, ebenfalls hochentwickelte Tierarten, die sich auch in Gefangenschaft und unter widrigen Bedingungen fortpflanzen, wie beispielsweise Tiger, die auch in Zirkussen oder auf Farmen Junge bekommen. Dies ist jedoch keinesfalls ein Beleg für ein Lebensumfeld, das den essentiellen Bedürfnissen der jeweiligen Arten Rechnung trägt.
Gefangenschaftshaltung in Zoos problematisch
Auch von Zooseite wurde in der Vergangenheit immer wieder von „Problemen“ hinsichtlich der Nachzucht von Großen Tümmlern in Delfinarien gesprochen (z.B. im EAZA Jahrbuch 2007). Der Zoo Duisburg verweist auf seiner Webseite ebenfalls auf das Problem der ungeklärten frühen Jungtiersterblichkeit bei den Delfinen.
Die Experten der Zoos argumentieren trotzdem, dass keine Wildfänge mehr zum Erhalt der Zoopopulation von Großen Tümmlern nötig seien. Die Datengrundlage, die diese Aussagen belegen soll, wird der Öffentlichkeit aber nach wie vor vorenthalten und stand zudem für die Überarbeitung des so genannten Säugetiergutachtens, in dem die Haltungsvorgaben für Delfine und andere Zootiere in Deutschland festgeschrieben sind, nicht zur Verfügung.
Auch werden wichtige – durch die Freilandforschung wissenschaftlich belegte – Tatsachen, die zur Begründung der frühen Todesfälle hinzugezogen werden sollten, außer Acht gelassen. So zum Beispiel der Einfluss des sozialen Lernens. Woher soll eine frisch gebackene Delfinmutter wissen, wie sie ihr neugeborenes Baby richtig stillt, ohne andere Delfine jemals dabei beobachtet zu haben? Die in Gefangenschaft geborene Delfindame Sunny konnte ihr erstes Baby nicht mit ausreichend Muttermilch versorgen, woraufhin es wenige Tage nach der Geburt verstarb.
Von unserem Wildlife Center im schottischen Moray Firth aus dürfen wir jedes Jahr beobachten, wie neues Leben entsteht. Unsere Kollege Charlie Philipps berichtete uns mehrfach von jungen Delfinbabies, die der Gruppe munter folgen – Anfang August hatte er das Glück, zwanzig Delfinen zu begegnen, die mindestens fünf Babies aus diesem Jahr dabei hatten. Auch beim WDC-Patendelfin Happy und ihrer Freundin Spirit gab es Nachwuchs, der nun gemeinsam mit seiner Familie den Winter in den weiter abseits der Küste gelegenen Gewässern des Moray Firth verbringt.
Im Gegensatz zu Happy verbrachte Sunny die letzten Wochen vor Geburt ihres Kalbes getrennt von ihrer Freundin Jenny und musste die Geburt allein durchstehen. Auf Grund der unnatürlichen Lebensumstände in Gefangenschaft schwammen Sunny und ihr Baby viele Wochen vom Rest der Gruppe isoliert in einem Becken.
Wer schon mal ein Kind bekommen hat, weiß, wie dankbar man für die Unterstützung der Hebamme, der Mama oder auch Freundinnen in den ersten Wochen dieser riesigen Umstellung sein kann. Das ist bei vielen Wal- und Delfinarten nicht anders als bei uns Menschen. Erst vor kurzem konnte dokumentiert werden, wie Pottwale in die Rolle von Hebammen schlüpfen und einem neugeborenen Baby an die Wasseroberfläche helfen.
Deshalb ist es wichtig, dass wir uns bei Geburtsnachrichten aus Zoos die richtigen Fragen stellen:
Ist das Leben in Gefangenschaft für einen Delfin lebenswert?
Einzelne „Zuchterfolge“ zeigen lediglich, dass die Fortpflanzung in Gefangenschaft z.B. bei Großen Tümmlern möglich ist, nicht aber, dass die hochsozialen, intelligenten und empfindsamen Lebewesen in Gefangenschaft ein erfülltes Leben führen. Stereotypes Verhalten, gesteigerte Aggressivität und Appetitlosigkeit, wie wir sie aus Auszügen der Nürnberger Akten kennen, zeichnen nämlich ein ganz anderes Bild.
Aus diesen Gründen werden Nachrichten wie die aus Duisburg, Nürnberg oder San Diego nie „gute“ Nachrichten sein – am allerwenigsten für die betroffenen Delfine. Sie zeigen uns jedoch einmal mehr, dass es wohl noch einiger Überzeugungsarbeit bedarf, bis die menschliche Gesellschaft Walen und Delfinen als das begegnet, was sie sind: Persönlichkeiten, die das Recht auf ein Leben in Freiheit haben.