Übernachten bei den Delfinen
.. damit wirbt der Nürnberger Tiergarten seit kurzem offiziell auf seiner Webseite. Kinder zwischen acht und zwölf Jahren sollen mit Taschenlampe und Schlafsack bewaffnet die nächtliche Ruhe der Delfine im ‚Blauen Salon‘, dem Raum mit der großen Sichtscheibe, beobachten können. Nebenbei möchte der Tiergarten vermitteln, mit welchen Bedrohungen die Meeressäuger zu kämpfen haben.
Das Angebot erscheint nicht nur angesichts seines Bildungswertes mehr als fragwürdig. In einer umfangreichen Untersuchung europäischer Delfinarien konnten wir nachweisen, dass die Delfinshows in der EU kaum Informationen über das Leben der Delfine in Freiheit bieten. Auch in den „Präsentationen“ der Tiere in Nürnberg führen die Delfine Kunststücke wie das Winken mit den Brustflossen (Flippern) vor.
„Besonderes Bildungsangebot“ oder verzweifelte Refinanzierung?
Nordbayern berichtet, dass der Zoo auch in diesem Jahr wieder mit Einnahmenverlusten in Höhe von 400.000 Euro rechnet. Die 24 Millionen teure Delfinlagune zieht nach wie vor nicht die gewünschten Besucherscharen an. Bereits 2013 hatte der Tiergarten 1,18 Millionen Besucher pro Jahr erwartet, um die Laguneninvestition wieder auszugleichen. Es kamen weniger als eine Million.
Dass der Tiergarten die Anlage nun anscheinend mit Sonderangeboten wie Übernachtungen bei den Delfinen durch Kinder refinanzieren möchte, scheint hochgradig fragwürdig. Gerade die Geburt eines Delfinbabies bedeutet großen Stress für die Mutter sowie die gesamte Gruppe. Der Tiergarten hatte erst vor kurzem bekannt gegeben, dass Sunny ihrem Kalb bereits kurz nach der Geburt eine Kratzverletzung zugefügt hatte – ein Verhalten, das renommierten Wal- und Delfinforschern zufolge unter Walen und Delfinen in freier Wildbahn hochgradig ungewöhnlich ist.
Der Tiergarten sollte die Zeichen der Zeit endlich richtig interpretieren und entsprechende Konsequenzen aus dem Besucherrückgang ziehen. Ein erster Schritt in diese Richtung wäre eine entschlossene Absage an weitere Zuchtversuche.
Neue Konzepte in den Startlöchern
In der heutigen Zeit verfügen wir über weitaus mehr Möglichkeiten, Lebewesen gerade für Kinder erfahrbar zu machen, ohne sie dafür brutal zu fangen, zu transportieren und einsperren zu müssen. Es gibt bereits einige vielversprechende Projekte: „Vision NEMO“ ermöglicht eine virtuelle Reise durch eine 3D-Unterwasserwelt. Man kann Delfine beobachten oder Buckelwale studieren, von den Tropen über einen Tiefseegraben bis zu den Polarmeeren. Schauen Sie doch einmal vorbei!
Quelle: Nordbayern